Arbeitsrecht: Illegale Internetnutzung am Arbeitsplatz kann zur Kündigung führen

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Illegale Internetnutzung am Arbeitsplatz kann nach dem Arbeitsrecht zur Kündigung führen

Wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit das Internet für private Zwecke nutzt, kann das zur Kündigung führen. Zur Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mehrere Grundsätze aufgestellt.

Sowohl ordentliche als auch außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht möglich

Bei der Kündigung von Arbeitnehmern muss zunächst zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen unterschieden werden. Bei einer ordentlichen Kündigung nach §622 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Frist setzen, bei außerordentlichen Kündigungen nach §626 BGB ist eine Frist normalerweise nicht erforderlich. Dafür sind die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung höher. Absatz 1 des §626 BGB lautet:

Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Die Frage, welche die Gerichte zu beantworten haben ist dabei, was einen „wichtigen Grund“ darstellt. Zu beachten ist außerdem, dass der Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung in der Regel auch hilfsweise die ordentliche Kündigung erklären wird. Dies geschieht, um das Risiko zu minimieren, das entsteht, wenn ein Gericht auf die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, die außerordentliche Kündigung für unberechtigt hält. Nach der Rechtsprechung des BAG kann die illegale Internetnutzung am Arbeitsplatz einen „wichtigen Grund“ im Sinne des §626 I BGB darstellen. So hat das BAG in seinem Urteil vom 7.7.2005 (Az. 2AZR 581/04) folgendes entschieden:

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang ("ausschweifend") nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. (BAG, Urteil vom 7.7.2005, Az. 2 AZR 581/04, Internetnutzung kann „wichtiger Grund“ sein)

BAG stellt Fallkonstellationen im Arbeitsrecht auf

Im oben genannten Urteil hat das BAG mehrere Fallkonstellationen benannt, in denen es eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, für gerechtfertigt hält. Diese sind:

  • Der Arbeitnehmer nutzt das Internet für private Zwecke entgegen einem ausdrücklichen Verbot oder nach einer einschlägigen Abmahnung.
  • Der Arbeitnehmer nutzt das Internet in einem Ausmaß, dass er nicht mehr annehmen konnte, es sei vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt.
  • Der Arbeitnehmer lädt eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme, insbesondere wenn dadurch die Gefahr einer Störung des betrieblichen Systems besteht (z.B. durch Viren, Trojaner etc.) oder es zu einer möglichen Rufschädigung des Arbeitgebers kommen kann (z.B. durch pornographische Darstellungen oder verbotene Inhalte aller Art).
  • Der Arbeitnehmer nutzt den Internetanschluss in einer Weise, durch die dem Arbeitgeber höhere Kosten entstehen. Ob dieser Punkt in Zeiten von Internetflatrates noch eine größere Relevanz besitzt ist unserer Ansicht nach zweifelhaft.
  • Der Arbeitnehmer nutzt die Betriebsmittel des Arbeitgebers unberechtigterweise.
  • Der Arbeitnehmer installiert Anonymisierungssoftware, um seine Internetnutzung vor dem Arbeitgeber zu verschleiern (BAG, Urteil vom 12.1.2006, Az. 2 AZR 179/05)
  • Der Arbeitnehmer verletzt durch die private Nutzung des Internets seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitspflicht.

Insbesondere der letzte Punkt dürfte unserer Ansicht nach sehr häufig vorliegen. Wenn die private Internetnutzung sich auf die Arbeitsleistung auswirkt, kann das unter Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Außerdem gilt es wohl zu beachten, dass es keines ausdrücklichen Verbots der Internetnutzung zu privaten Zwecken durch den Arbeitgeber bedarf. So hat das BAG im oben genannten Urteil entschieden (BAG, a.a.O.):

Selbst wenn im Betrieb der Beklagten eine private Nutzung des Internets an sich erlaubt bzw. geduldet wäre, lässt sich daraus nicht zwingend schließen, diese Nutzung dürfe auch während der Arbeitszeit zeitlich unbegrenzt bzw. in erheblichem Umfang und nicht nur außerhalb der Arbeitszeit, beispielsweise während der Pausen, erfolgen (so auch Kramer NZA 2004, 457, 460)(…)

Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers ist eine private Nutzung des Internets grundsätzlich nicht erlaubt. (BAG, Urteil vom 7.7.2005, Az. 2 AZR 581/04, Ausdrückliches Verbot nicht notwendig)

In der Regel wird es jedoch eine Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geben, die festlegt wie das Internet am Arbeitsplatz genutzt werden darf.

BAG: Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung im Arbeitsrecht möglich

Einer Kündigung geht in der Regel mindestens eine Abmahnung voraus. Einer Abmahnung bedarf es nach der Rechtsprechung immer dann, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht Vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (u.a. BAG, Urteil vom 25.3.2004, 2 AZR 341/03). Bei umfangreicher Internetnutzung zu privaten Zwecken am Arbeitsplatz hält es das BAG nicht für nötig, dass zunächst abgemahnt wird. Es sei für den Arbeitnehmer klar, dass ein solches Verhalten nicht toleriert werde. Dazu heißt es im oben genannten Urteil (BAG, a.a.O.):

Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang ("ausschweifend": Däubler Internet und Arbeitsrecht Rn. 189) privat, so kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Er muss damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht. (…) (Hervorhebung nicht im Original)

Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung. (BAG, Urteil vom 7.7.2005, Az. 2 AZR 581/04, Abmahnung nicht immer nötig) (Hervorhebung nicht im Original)

Wann eine Internetnutzung „ausschweifend“ oder „exzessiv“ ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Beispielsweise ist das LAG Hessen in seiner Entscheidung vom 30.3.2015 (Az. 17 Sa 1094/13) bei sieben Stunden privater Internetnutzung in einer Woche von einer „exzessiven“ Nutzung ausgegangen. Ob eine Abmahnung im Einzelfall nötig ist hängt auch noch von anderen Umständen ab. So kann es unserer Ansicht nach z.B. entscheidend sein, ob ein konkreter Schaden beim Arbeitgeber entstanden ist, oder, ob sich der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit vertragswidrig verhalten hat. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit kann Einfluss haben (zu den genannten Umständen: BAG, Urteil vom 19.4.2012, Az. 2 AZR 186/11). Es hängt immer davon ab, wie das Gericht die Umstände gewichtet und gegeneinander abwägt. Es müssen dabei die Interessen beider Parteien geprüft werden.

LAG Hamm: Beweiserhebung durch „Keylogger“ im Arbeitsrecht unzulässig

Beachtenswert ist unserer Ansicht nach auch, dass es immer wieder datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Überwachung der Internetnutzung der Arbeitnehmer gibt. So hat zum Beispiel das LAG Hamm in einem aktuellen Fall (LAG Hamm, Urteil vom 17.6.2016, Az. 16 Sa 1711/15) entschieden, dass die Daten zur Internetnutzung, die ein sogenannter „Keylogger“ geliefert hat, nicht verwendet werden durften. Bei einem Keylogger („Tasten-Protokollierer“) handelt es sich um eine Hard- oder Software, die dazu verwendet wird, sämtliche Eingaben des Benutzers an der Tastatur eines Computers zu protokollieren und damit zu überwachen oder zu rekonstruieren. Im vorliegenden Fall wurde ein solches Gerät heimlich in den dienstlich genutzten Rechnern eingebaut und verwendet. Das Gericht lehnte es ab, diese Daten zu Beweiszwecken zu nutzen, da sie nur durch einen massiven Eingriff in das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) erlangt worden wären.

Fazit: Private Internetnutzung am Arbeitsplatz unserer Ansicht nach arbeitsrechtlich sehr riskant

Abschließend lässt sich wohl sagen, dass die Rechtsprechung zur illegalen Internetnutzung am Arbeitsplatz recht restriktiv ist. Wenn durch das Nutzen des Internets zu privaten Zwecken die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird oder eine der anderen oben beschriebenen Fallgruppen einschlägig ist, droht ihm eine Abmahnung oder sogar die (fristlose) Kündigung. Arbeitnehmer sollten unserer Ansicht nach darauf achten, dass sie das Internet während der Arbeitszeit nicht für private Zwecke nutzen.

Ob eine Kündigung oder Abmahnung wegen angeblich illegaler Internetnutzung am Arbeitsplatz vorliegt, sollte unserer Ansicht nach im Einzelfall von einem Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- bzw. IT-Recht überprüft werden!

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