Urheberrecht: Filesharing-Klage entschieden, BGH Urteil 11. Juni 2015 - I ZR 7/14 - Tauschbörse II -

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Tauschbörse II: BGH in Filesharingsache zur Reichweite der Aufsichtspflicht bei der Internetnutzung durch minderjährige Kinder im Urheberrecht, BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14

Tauschbörse II: Eine weitere Filesharing-Entscheidung der BGH in der wurde nach Ansicht des Verfassers über die Reichweite der Aufsichtspflicht von Eltern bei Rechtsverletzungen des Kindes in Rahmen der Teilnahme am Filesharing entschieden.

Polizeiliches Geständnis der Tochter in der Filesharingsache

Die Verwertung des polizeilichen Geständnisses sei laut BGH zulässig gewesen. Zwar sei:

„die grundsätzlich zulässige Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren im Wege des  Urkundenbeweises  unzulässig,  wenn  eine  Partei  zum  Zwecke  desunmittelbaren Beweises die Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, NJOZ 2014, 572 Rn. 7 f. = MDR2013, 1184). Diese Grundsätze [seien] im Streitfall beachtet worden.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )

Das Berufungsgericht habe seine Überzeugung nicht allein auf das in Frage stehende Protokoll gerichtet.

Die Aussage der Tochter als Zeugin sei außerdem verwertbar. Das „offensichtlich[e] Schreibvergehen“ des Berufungsgerichts in Form von §183 I Nr.3 ZPO anstatt §383 I Nr.3 ZPO ändere nichts an der Belehrung der Tochter über ihr Zeugnisverweigerungsrecht.

An der Verwertbarkeit des Geständnisses der Tochter ändere auch der Umstand, dass sie zwar bei der Polizei die Verletzungshandlungen gestanden habe, auf die Frage des Gerichts dazu aber nichts äußern wollte.

„Die Zeugnisverweigerung eines Zeugen im Zivilprozess schließt – anders als im  Strafprozess  gem.  §  252  StPO  –  die  Verwertung  von  Niederschriften  früherer  in  Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts  getätigter  Aussagen  nicht  aus“. (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )

Haftung der Beklagten für den durch die Tochter verursachten Schaden im Urheberrecht

Die Beklagte hafte gem. §832 I 1 BGB für den durch die Tochter verursachten Schaden aufgrund der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Laut BGH seien Eltern dazu verpflichtet, ihre minderjährigen Kinder zu beaufsichtigen. In diesem Rahmen genüge es, „dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten“. Eine Überwachung, Überprüfung oder Versperrung der Nutzung des Kindes bestehe grundsätzlich nur, wenn das Kind dem Verbot zuwiderhandle. Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts läge somit nicht vor, da eine Belehrung der Tochter auch nach Ansicht des BGH wohl nicht erfolgt sei. Jegliche Gespräche über die Nutzung des Internets von Seiten der Eltern seien wohl ausgeblieben.

Das Auferlegen von Regeln zu „ordentlichem Verhalten“ im Allgemeinen deute nicht auf die Belehrung

„über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen und ein Verbot der Teilnahme daran“. (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )               

Weiterhin stellt nach Ansicht des Verfassers der BGH klar, dass die Beklagte nicht als Störerin „nur“ auf Unterlassung hafte, sondern aufgrund der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht (§832) als Täterin hafte.

Höhe des Schadensersatzes nach dem Urheberrecht

Eine Anforderung für die Anwendung einer Lizenzanalogie zur Berechnung der Höhe des Schadensersatzes sei nicht das Bestehen einer Möglichkeit zur tatsächlichen Lizenznahme zu Filesharing-Zwecken. Vielmehr setze die fiktive Lizenz keinen tatsächlichen Abschluss einer Lizenz bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten voraus.

Weiterhin seien laut Berufungsgericht die niedrigen Gebühren für Streaming-Dienste nicht mit dem Filesharing vergleichbar.

„Streaming­Angebote [bilden] keinen  adäquaten  Maßstab  zu Bemessung eines fiktiven Lizenzschadens für Filesharing­Angebote. Zum einen handle es sich beim Streaming um eine andere Nutzungsart, zum anderen lägen dem Geschäftsmodell der Streaming-Dienste wie etwa Spotify oder Simfy gänzlich andere wirtschaftliche Erwägungen und Kalkulationen zu Grunde.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - ) (Hervorhebungen nicht im Original)

Laut BGH falle diese Argumentation in den Ermessensspielraum des Berufungsrichters und sei somit nicht zu beanstanden.

Anforderungen an eine Abmahnung in Filesharingsachen

Schließlich stehe der Zulässigkeit einer Abmahnung nicht entgegen, dass zwar eine Liste der maßgeblichen Audiodateien angefügt worden sei, eine genaue Beschreibung welcher Kläger an welcher Audiodatei Rechte geltend macht nicht vorhanden sei.

„Eine  solche  konkrete  Zuordnung  in der Abmahnung war nicht geboten, um die Bekl. in den Stand zu setzen, den Vorwurf tatsächlich und rechtlich zu  überprüfen  und  die  gebotenen Folgerungen  daraus  zu  ziehen.  Für  den  Fall,  dass  bei einem  oder mehreren  der  aufgelisteten  Musikaufnahmen  –  etwa  auf  Grund  eines  Abgleichs  mit  den  einschlägigen öffentlich  zugänglichen  Downloadplattformen  wie  Amazon  oder  iTunes  –  konkrete  Zweifel  an  der Aktivlegitimation der Kl. oder am Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes entstanden wären, wäre die Bekl. nach Treu und Glauben gehalten gewesen, die Kl. auf solche Zweifel hinzuweisen und um Aufklärung im  Hinblick  auf  die  behaupteten  Rechtsverletzungen  und  die Legitimation  zur  Rechtsverfolgung nachzusuchen.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )

Die Adressierung der Beklagten als unmittelbare Täterin in der Abmahnung stehe deren Berechtigung ebenfalls nicht entgegen.

Auswirkung des Urteils auf aktuelle Filesharingprozesse?

Der BGH macht nach Ansicht des Verfassers mit diesem Urteil einige Punkte deutlich. Neben der Klärung der Frage wann ein Verwertungsverbot nicht in Betracht käme, stellt der BGH Maßstäbe für die Aufsichtspflicht der Eltern beim Filesharing durch ihre Kinder auf. Es bedürfe einer unmittelbaren Belehrung der Kinder und keiner allgemeinen Aufklärungspflicht über Verhaltensweisen im Alltag. Eine Haftung als Störer/in käme im Falle der Missachtung der Aufsichtspflichten außerdem nicht in Betracht. Tatsächlich hafteten Eltern als Täter. Die Haftung als Täter und nicht als Störer ist nach unserer Rechtsansicht insbesondere  in Bezug auf die geltenden Verjährungsfristen relevant. Ansprüche gegen einen Störer verjähren unserer Rechtsansicht nach wesentlich früher als Ansprüche im Rahmen einer Täterhaftung. Schließlich verneint der BGH die Heranziehung von Streaming-Angeboten als Vergleichswert für die Schadensbemessung beim Filesharing. Ob der Kläger dabei tatsächlich eine Lizenz an den/die Beklagte/n vergeben hätte, spiele bei der Lizenzanalogie keine Rolle.

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