Das Oberlandesgericht Jena bestätigte Fischer in ihrer Ansicht und bejahte eine Verletzung ihres Künstlerpersönlichkeitsrechts (OLG Jena, Urteil vom 18.03.2015, Az. 2 U 674/14).
Urheberrechtliche Ansprüche aus § 75 UrhG auch bei mittelbaren Beeinträchtigungen gegeben
Zunächst führt das Gericht aus, dass § 75 UrhG nicht nur bei direkten Beeinträchtigungen, sondern auch bei indirekten Beeinträchtigungen einschlägig sei. Das das Lied der Künstlerin als ein Instrument im politischen Wahlkampf verwendet würde, stelle eine mittelbare Beeinträchtigung im Sinne des § 75 UrhG dar. Dazu müsse jedoch noch eine mögliche Rufbeeinträchtigung kommen. Das Gericht führte zu dessen Voraussetzungen aus:
„Für die Eignung zur Ansehens- oder Rufgefährdung eines ausübenden Künstlers sind alle Faktoren von Bedeutung, die die öffentliche Meinung über seine künstlerischen Fähigkeiten und Auffassungen prägen und die Wertschätzung als Künstlerpersönlichkeit zu beeinflussen vermögen. Maßgeblich für die Beurteilung ist die Vorstellung eines unvoreingenommenen Durchschnittsbeobachters; die persönlichen Empfindlichkeiten des ausübenden Künstlers sind also nicht maßgeblich“ (OLG Jena, Urteil vom 18.03.2015, Az. 2 U 674/14)
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein durchschnittlicher Beobachter aufgrund der Wiedergabe des Liedes annehme, dass die Sängerin den Wahlkampf unterstütze, dulde oder aber auch der kundgetanen politischen Meinung nahe stehe. Diese gedanklichen Assoziationen des Durchschnittsbeobachters sein ausreichend, um zu einer Schädigung des Rufes und Ansehens beizutragen.
„Es ist aber jedenfalls nicht auszuschließen, dass es auch unvoreingenommene Durchschnittsbeobachter gibt, die sich die Frage stellen werden, was denn die Verfügungsklägerin mit der Verfügungsbeklagten und deren politischen Ideen zu tun habe. Dabei ist nicht auszuschließen, dass dieser Teil der Durchschnittsbeobachter dann Assoziationen dahingehend herstellen wird, dass die Verfügungsklägerin aufgrund ihrer eigenen politischen Überzeugung zumindest „nichts dagegen habe“, dass ihre Darbietung bei dieser Wahlkampfveranstaltung gespielt wird.“ (OLG Jena, Urteil vom 18.03.2015, Az. 2 U 674/14)
Rufschädigung des Künstlers durch Verwendung dessen Liedes kann nicht ausgeschlossen werden
Bereits bei der Verwendung von Künstlerwerken zur Vermarktung von Produktwaren müsse der Künstler nicht hinnehmen, dass das Lied zur Werbung genutzt werde und somit die von ihm verfolgten künstlerischen Zwecke vereitelt werden. Dies gelte erst recht, wenn das Lied bei parteipolitischen Wahlkämpfen benutzt würde.
Im Rahmen einer Abwägung müsse auch auf die Leistungshöhe der Künstlerin und deren große Beliebtheit eine Rolle spielen. Die Persönlichkeitsrechte bei beliebten Künstlern sein auch nicht kommerzialisiert, so wie die Beklagte annahm, sondern stehen auch diesen Künstlern uneingeschränkt zu. Die Sängerin habe sich ausdrücklich gegen ein Abspielen ihres Werkes auf Wahlveranstaltungen ausgesprochen. Da die Ziele der NPD nur bei einem kleinen Teil der Bevölkerung Zustimmung fänden sei eine Rufschädigung der Sängerin durch das Abspielen ihres Werkes auf Wahlveranstaltungen nicht unwahrscheinlich.
Das Gericht entschied, dass in diesem Fall somit die Künstlerpersönlichkeit von Fischer überwiege.
Verfassungsrechtliche Privilegien sind hier nicht von Relevanz
Die NPD könne sich in diesem Fall auch nicht auf verfassungsrechtliche Privilegien aus Art.21 I GG, § 1 PartG berufen. Denn die Gleichbehandlung und gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien wären hier nicht durch eine staatliche Maßnahme beeinträchtigt. Fischer trete als Privatperson auf und beschreite den Zivilrechtsweg. Zudem sei schon fraglich, ob § 75 UrhG überhaupt Einfallstor für eine mittelbare Drittwirkung des Art.21, 3 III GG sein könne. Das Gericht führte hierzu aus:
„Selbst wenn man aber bei der Interessenabwägung im Rahmen von § 75 UrhG die Bedeutung der Art. 21, 3 GG berücksichtigt, führt dies nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Verfügungsbeklagte wird durch ein von der Verfügungsklägerin erwirktes Verbot nicht grundsätzlich bei ihrer Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess bzw. am Wahlkampf als solchem gehindert oder in ihren Wettbewerbschancen gegenüber anderen politischen Parteien behindert.“ (OLG Jena, Urteil vom 18.03.2015, Az. 2 U 674/14).
Vielmehr sei das Persönlichkeitsrecht der Künstlerin verletzt, da sie keinerlei politische Einflussnahme durch ihr Lied erreichen möchte.
„Beeinträchtigt ist das Persönlichkeitsrecht des Künstlers im Hinblick auf seine konkrete Darbietung. Denn mit ihrer Darbietung beabsichtigt die Verfügungsbeklagte ersichtlich, schlicht zu unterhalten und will keinerlei politischen Botschaftentransportieren, was sie befürchten muss, wenn ihre Darbietung zu Wahlkampfzwecken eingesetzt wird. Gerade beim Persönlichkeitsrecht eines Sängers als ausübendem Künstler ist die Darbietung aber besonders eng mit der Person und damit mit Ruf und Ansehen des Interpreten verbunden“ (OLG Jena, Urteil vom 18.03.2015, Az. 2 U 674/14).
Das Gericht sah auch eine Wiederholungsgefahr gegeben, weswegen es den Unterlassungsanspruch von Fischer bejahte.
Fazit
Auch die Lieder von besonders populären Künstlern können nicht einfach ohne Einwilligung dieser verwendet werden. Es ist daher unserer Ansicht nach immer ratsam, vorher die Einwilligung des entsprechenden Künstlers einzuholen.