Datenschutz und Beweisverwertungsverbot vor einer Abmahnung im Auskunftsverfahren?

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Bevor es im Filesharing-Fällen und ähnlichen Fällen zu Abmahnungen kommen kann, muss erst einmal ein Name und eine Postadresse bekannt sein, an welche-/n die abmahnenden Kanzleien (landläufig auch Abmahnkanzleien bezeichnet) ihre Abmahnschreiben senden können.

Man fragt sich hierbei, in wie weit die Wertungen des Datenschutzes bei der Ermittlung dieser und weiterer Daten eine Rolle spielen.

In Filesharingfällen versenden bestimmte Rechtsanwaltskanzleien Abmahnungen. Dabei geben Sie in den Abmahnschreiben an, woran angeblich der Abgemahnte Rechte verletzt haben soll (Musik, Spielfilm, Folge einer Fernsehserie, Pornofilm oder ähnliches) und in wessen Namen, also für welche Inhaber von Urheberrechten und ähnlichem (Rechteinhaber) sie vorgehen. An die Namen und Postadressen kommen die Rechteinhaber oder ihre Rechtsanwälte im Wesentlichen in drei Schritten.

IP-Adressermittlung bei angeblich illegalem Streaming oder Filesharing

Erstens ermittelt jemand die IP-Adresse (z.B. eine IT-Firma auch Anti-Piracy-Firma genannt) bezüglich eines Internet-Anschlusses, von dem aus angeblich Urheberrechte und ähnliche Rechte verletzt worden seien. Bei Fällen wegen der Benutzung von Tauschbörsen könnte dieses Verfahren noch einigermaßen nachvollziehbar sein. Wie jemand dagegen zum Beispiel in Fällen von Streaming die IP-Adressen rechtmäßig ermitteln könnte, ist derzeit nicht klar. In einem Fall um das Anschauen eines Pornos bei der Erotik-Plattform Redtube schrieb kürzlich eine Kammer, also ein Spruchkörper am Landgericht Köln in der Begründung zu einem gerichtlichen Beschluss:

Textauszug LG Köln, Beschluss vom 24. Januar 2014 – 209 O 188/13, von Internetseite des LG Köln = juris, Tz. 14, Hervorhebung nicht im Original(LG Köln, Beschluss vom 24. Januar 2014 – 209 O 188/13, von Internetseite des LG Köln = juris, Tz. 14, Hervorhebung nicht im Original)

Antrag bei einem Gericht um die Herausgabe der Postanschrift des Gegeners zu erzwingen

Im zweiten Schritt stellt der Rechtsinhaber bzw. sein Anwalt vor einem Gericht am Sitz des Internetanbieters einen Antrag nach § 101 Absatz 9 Urhebergesetz (UrhG). Wenn das Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen für gegeben hält, erlässt es einen sogenannten Gestattungsbeschluss. Dadurch wird in einem dritten Schritt ein Internetprovider des Gegners gezwungen, Namen und Postadressen der Anschlussinhaber herauszugeben über deren Internetanschlüsse angeblich Rechtsverletzungen erfolgt sein sollen und denen eine bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet gewesen war.

Beweisverwertungsverbot bei Grundrechteverstoß möglich

Sowohl bei der Ermittlung der IP-Adressen als auch bei dem darauf folgenden gerichtlichen Beschluss und der erzwungenen Auskunft des Internetanbieters geht es um Daten. Dabei können gerade die Grundrechte eine Rolle spielen, die auch allgemein im Datenschutz wichtig sind. Neben dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem daraus abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist das auch das spezielle Grundrecht auf das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 des Grundgesetzes (GG). Dies stellte auch die Kammer am Landgericht Köln in dem schon oben genannten Beschluss klar:

Textauszug - LG Köln, Beschluss vom 24.01.2014, Az. 209 O 188/13, juris, Tz. 8 = auf Internetseite des LG Köln, Hervorhebung nicht in Original(LG Köln, Beschluss vom 24.01.2014, Az. 209 O 188/13, juris, Tz. 8 = auf Internetseite des LG Köln, Hervorhebung nicht in Original)

In ihrem nun erlassenen Beschluss zu den Streaming-Verfahren bezogen sich die Richter am Landgericht Köln auch auf eine frühere Entscheidung vom Oberlandesgericht Köln. In dieser früheren Entscheidung waren die Richter nicht nur noch stärker auf das Fernmeldegeheimnis oder Telekommunikationsgeheimnis eingegangen, sondern hatten auch betont, dass man normalerweise darauf vertrauen dürfe, im Internet unerkannt, also anonym unterwegs zu sein:

Textauszug - OLG Köln, Beschluss vom 05.10.2010, Az. 6 W 82/10, I-6 W 82/10 –, juris, Tz. 9-10 = auf www.nrwe.de, Hervorhebungen nicht im Original(OLG Köln, Beschluss vom 05.10.2010, Az. 6 W 82/10, I-6 W 82/10 –, juris, Tz. 9-10 = auf www.nrwe.de, Hervorhebungen nicht im Original)

Dass es hierbei um Grundrechte geht, sei also auch dafür wichtig, ob der Anschlussinhaber noch im Nachhinein gegen die Gestattungsbeschlüsse vorgehen kann.

Wenn im Nachhinein eine Auskunft von einem Gericht für rechtswidrig erklärt wird, könnte dies möglicherweise auch für einen späteren Prozess zwischen dem Inhaber des Internetanschlusses und dem Rechteinhaber eine Rolle spielen. Die beiden oben genannten Gerichte deuteten an, dass es eventuell in einem späteren Prozess ein Beweisverwertungsverbot gelten könnte, also möglicherweise bestimmte Dinge in einem späteren Verfahren (beispielsweise gegen den Anschlussinhaber) vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften.

Darüber hinaus wäre aber auch zu überlegen, welche Rolle der Datenschutz allgemein bei der Abmahnung und der Reaktion darauf haben sollte. Dies spricht alles dafür, dass der Abgemahnte einen eigenen Rechtsanwalt zu Hilfe ziehen sollte, der sich auch mit Datenschutz beschäftigt. Dies ist beispielsweise ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im IT-Recht. Denn zum IT-Recht zählt auch das Recht des Datenschutzes.

Weitere Informationen, was zu tun ist, wenn man eine Abmahnung erhalten hat, finden Sie hier.

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Fallupdates

Vodafone siegreich, denn Internetprovider sind nicht verpflichtet IP-Adressen Ihrer Kunden zu speichern - 05. Jun. 2014

OLG Düsseldorf: Zugangsprovider sind nicht verpflichtet, IP-Adressen von Kunden zu speichern, um Rechtsinhabern Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu ermöglichen.

Am 07.03.2013 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in gleich neun Verfahren entschieden, dass Access-Provider – im konkreten Fall Vodafone – nicht verpflichtet sind, dynamische IP-Adressen von ihren Kunden zu erheben und zu speichern, um privaten Rechtsinhabern Auskünfte zu erteilen, da es in Bezug auf die laufenden Verbindungen an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Die einzelnen Beschlüsse: I-20 W 118/12, I-20 W 121/12, I-20 W 123/12, I-20 W 124/12, I-20 W 126/12, I-20 W 128/12, I-20 W 142/12, I-20 W 143/12, I-20 W 162/12.

Hintergrund des Verfahrens ist das Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke in Internet-Tauschbörsen (Filesharing). Zwecks Ermittlung der Nutzer einer solchen Tauschbörse bedienen sich die Rechtsinhaber zunächst Firmen, die die IP-Adressen der jeweiligen Filesharers feststellen. Um eine Abmahnung verschicken zu können, fordern die Urheber dann von Zugangsprovidern die Übermittlung von Namen und Anschrift der Person, die im Tatzeitpunkt Anschlussinhaberin der dazugehörigen IP-Adresse war. Eine solche Auskunft darf allerdings nur aufgrund einer richterlichen Gestattung nach § 101 IX UrhG erteilt werden, denn die Internetkommunikation fällt unter das Fernmeldegeheimnis.

Keine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen Ihrer Kunden

Im vorliegenden Fall speichert der Zugangsprovider die dynamischen IP-Adressen seiner Kunden nicht. Die IP-Adressen werden lediglich für die Dauer der Verbindung im System gehalten und nach dem Ende der Verbindung gelöscht, so dass eine Auskunft auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht erfolgen kann. Deshalb haben die Antragssteller vor dem Landgericht Düsseldorf Beschlüsse erwirkt, mit denen die „Sicherung“ von IP-Adressen aus der jeweils laufenden Internetverbindungen angeordnet und die Verwendung der gesicherten Daten zu Auskunftszwecken gestattet wurde. Diese vorher erwirkten Beschlüsse hob das Oberlandesgericht Düsseldorf gänzlich auf.

Nach Auffassung des Gerichts sei die Verpflichtung zur Auskunftserteilung auf die vorhandenen Daten beschränkt. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Verpflichtung zur Beschaffung von Daten aus laufenden Verbindungen für eine spätere Auskunftserteilung zu Gunsten privater Dritter. Die Beschaffung solcher Daten würde einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des Kunden auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses, Art. 10 I GG, und auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 1 I GG, Art. 2 I GG darstellen.

Anders verhält es sich bei solchen Providern, die von vornherein für Zwecke der Abrechnung diese Daten speichern. Hier können die Rechtsinhaber mit Hilfe eines gerichtlichen Verfahrens nach § 101 IX UrhG die Anschlussinhaber ermitteln.

 

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