Dringlichkeitsvermutungen und Dringlichkeitsfristen bei einstweiliger Verfügung im gewerblichen Rechtsschutz

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Was bedeutet „Dringlichkeit“ im Zusammenhang mit der einstweiligen Verfügung?

Die einstweilige Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO gewährt dem Gläubiger einstweiligen Rechtsschutz, wenn eine Entscheidung im ordentlichen Klageverfahren nicht rechtzeitig erginge, um ihn befriedigen zu können. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind der Verfügungsanspruch und der Verfügungsgrund. Der Verfügungsanspruch ist der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch, dessen Bestehen auch im Hauptsachverfahren geprüft wird. Der Verfügungsgrund ist der Umstand, aufgrund dessen eine Entscheidung im Hauptsachverfahren nicht abgewartet werden kann. Gemäß §§ 936, 920 ZPO sind Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft zu machen. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn es nach der Überzeugung des Gerichts wahrscheinlicher ist, dass sie vorliegt, als dass sie nicht vorliegt. Gemäß § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen zulässig – ist also ein Verfügungsgrund gegeben -, wenn zu besorgen ist, dass andernfalls die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dieser Verfügungsgrund ist mit dem Begriff „Dringlichkeit“ gemeint. Dabei gelten die allgemeinen Beweislastregeln, sodass die Glaubhaftmachung grundsätzlich dem Gläubiger obliegt. Die Glaubhaftmachung kann jedoch ausnahmsweise in spezialgesetzlich geregelten Fällen entbehrlich sein. Das sind die sogenannten Dringlichkeitsvermutungen.

Dringlichkeitsvermutung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: § 12 I UWG

Eine Dringlichkeitsvermutung finden sich im § 12 I UWG:

Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

Es handelt sich um eine widerleggliche tatsächliche Vermutung:

„Das OLG ist davon ausgegangen, daß der Erlaß einer einstweiligen Unterlassungsverfügung in Wettbewerbssachen grundsätzlich einen Verfügungsgrund voraussetzt. Zur Sicherung der im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können nach § 12 I UWG einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen. Nach fast einhelliger Auffassung macht § 12 I UWG einen Verfügungsgrund nicht entbehrlich, sondern begründet lediglich eine widerlegbare Vermutung für die Dringlichkeit und befreit damit nur von der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes.“
(
BGH, Beschluss vom 01.07.1999 – I ZB 7/99)

Ist die Vermutung widerlegt, trifft den Antragsteller die Obliegenheit, die Dringlichkeit glaubhaft zu machen. Die Widerlegung der Vermutung kann insbesondere durch sogenannte Selbstwiderlegung erfolgen, wenn der Antragsteller selbst durch sein eigenes Verhalten die Annahme der Dringlichkeit ausschließt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn nach Eintritt der Rechtsgefährdung noch lange Zeit gewartet wird ehe die Antragstellung erfolgt oder das Verfügungsverfahren nicht zügig betrieben wird.

Dringlichkeitsvermutung im Markenrecht: § 140 III MarkenG

§ 140 III MarkenG enthält eine mit § 12 I UWG inhaltsgleiche Regelung für die Geltendmachung von markenrechtlichen Unterlassungsansprüchen. Dies schuf Rechtsklarheit, da zuvor um eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des UWG im Markenrecht gestritten wurde. Die wohl herrschende Meinung lehnte eine solche Analogie ab:

„Die analoge Anwendbarkeit des § 12 I UWG auf markenrechtliche Unterlassungsansprüche wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird auch in aktuelleren Entscheidungen eine analoge Anwendbarkeit bejaht (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 12.10.2017 – 2 U 162/16) Die überwiegende Meinung in der neueren Rechtsprechung (…) und in der Literatur (…) lehnt jedoch die analoge Anwendung ab. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an (…). Zum einen fehlt es an der für die Analogie notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme des § 16 UWG aF in das MarkenG nicht auf das Markenrecht ausgedehnt, obwohl der Streit, in welchem Umfang eine Analogie zu § 25 UWG aF (jetzt § 12 UWG) möglich ist, schon lange bestand. Zum anderen fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Denn bei Schutzrechtsverletzungen geht es – anders als bei UWG-Verstößen und den Fällen des UKlaG – sehr oft auch auf der Verletzerseite um beachtliche Schutzrechtspositionen, so dass eine schematische Dringlichkeitsvermutung hier weit weniger angebracht ist als bei UWG-Verstößen. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass bei der Verjährungsfristregelung der Gesetzgeber allein die Fälle des UWG als so dringlich verfolgungsbedürftig angesehen hat, dass ihm die kurze Frist von sechs Monaten gerechtfertigt erscheint.“
(
OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.10.2018 – 3 W 1932/18)

Durch die Einführung des § 140 III MarkenG bedarf es einer analogen Anwendung des § 12 I UWG im Markenrecht nicht mehr, der Streit ist insoweit nicht mehr von Bedeutung.

Gibt es eine Dringlichkeitsvermutung im Urheberrecht?

Das UrhG enthält keine § 12 I UWG entsprechende Regelung. Somit stellt sich gleichermaßen wie im Rahmen der alten Rechtslage im Markenrecht die Frage nach einer analogen Anwendbarkeit des § 12 I UWG. Dies wird von der herrschenden Meinung aus ähnlichen Gründen wie auch zuvor im Markenrecht (s.o.) abgelehnt. Stark gegen eine analoge Anwendung von § 12 I UWG spricht nunmehr zusätzlich, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 140 III MarkenG zu erkennen gab, sich der Problematik des Bedürfnisses von Dringlichkeitsvermutungen im gewerblichen Rechtsschutz bewusst zu sein, im Urheberrecht aber anders als im Markenrecht untätig blieb. Eine planwidrige Regelungslücke, die für eine rechtliche Analogie erforderlich ist, dürfte nun kaum mehr zu begründen sein. Im Hinblick auf die Dringlichkeit gelten daher im Urheberrecht die allgemeinen Grundsätze:

„Da die Dringlichkeitsvermutung des § 12 I UWG bzw. des § 140 III MarkenG für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche weder direkt noch analog zur Anwendung kommt, oblag den Antragstellerinnen gem. § 936, § 920 II ZPO die Pflicht, darzutun und glaubhaft zu machen, dass sie auf eine gerichtliche Eilmaßnahme angewiesen sind. Zudem darf kein dringlichkeitsschädliches Verhalten vorliegen, wobei ein solches anzunehmen ist, wenn es erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist, so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint.“
(
OLG München, Urteil vom 17.10.2019 – 29 U 1661/19)

Gibt es eine Dringlichkeitsvermutung im Patentrecht bzw. Gebrauchsmusterrecht?

Vergleichbar mit der Situation im Urheberrecht gibt es im Patent- und Gebrauchsmusterrecht keine § 12 I UWG beziehungsweise § 140 III MarkenG entsprechende Regelung. Eine analoge Anwendung wird im Patentrecht ebenfalls abgelehnt:

„§12 IUWG liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Wettbewerbsverstöße erfahrungsgemäß rasch zu Vor- und Nachteilen führen, die sich nachträglich oft nur schwer oder gar nicht ausgleichen lassen. Insbesondere sind eintretende Schäden und die Kausalität zwischen Vorteilen des Werbenden und Nachteilen des sich betroffen fühlenden Wettbewerbers im nachhinein kaum ermittelbar. Außerdem sind wettbewerbliche Sachverhalte oft im tatsächlichen unstreitig, so daß von dem angerufenen Gericht nur eine rechtliche Bewertung verlangt ist. Dies hat zur Folge, daß wettbewerbsrechtliche Entscheidungen, auch wenn sie als einstweilige Verfügung ergehen, geeignet sind, ein ordentliches Klageverfahren zu ersparen. Die Praxis beweist dies. Häufig erledigt sich wettbewerblicher Streit bereits durch den Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Bei dieser Sachlage ist es vertretbar, ja geboten, einem Anspruchsteller zu erleichtern, sich für ein Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden, indem man ihn von der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes befreit. Ganz anders ist die Sachlage, wenn wegen Benutzung der Lehre eines Patents gerichtlich vorgegangen wird bzw. werden soll. Da technische Sachverhalte zu erkennen und zu vergleichen sind, hat es mit einer einfachen Rechtsfindung in der Regel nicht sein Bewenden Die gesetzliche Beschränkung der Möglichkeiten der Sachaufklärung im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung (vgl. § 294 ZPO) mindert den Wert eines vom Gericht gefundenen Ergebnisses für die Parteien. Ein Hauptsacheverfahren wird so häufig schon hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens nicht für entbehrlich gehalten. Es kommt hinzu, daß Patentverletzungen fast immer Schadensersatzansprüche auslösen, die - ganz anders als es bei der überwiegenden Zahl der Wettbewerbsverstöße der Fall ist - auch als nachweisbar und durchsetzbar erscheinen können. Auch deshalb ist ein Folgeprozeß oft unvermeidlich. Da die Rechtsprechung zur Berechnung eines Schadensersatzanspruches brauchbare Kriterien herausgearbeitet hat und sie einem Patentinhaber oder sonstigem Berechtigten zur Verfügung stellt, ist schließlich auch ein sofortiges gerichtliches Verbot zur Abwendung wesentlicher Nachteile weit seltener notwendig als in Wettbewerbsstreitsachen. In der Praxis ist demgemäß auch zu beobachten, daß in der ganz großen Mehrzahl der Fälle die Patentinhaber oder sonstigen Berechtigten ihre Ansprüche allein im Hauptverfahren durchzusetzen versuchen und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung die seltene Ausnahme bildet. Damit fehlt aber auch ein zwingender Grund, den Zugang zum Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in Patentstreitsachen in einer Weise zu vereinfachen, wie es bei Wettbewerbsstreitigkeiten vorgesehen ist. Es ist vielmehr sachgerecht, daß das Patentgesetz für den Rechtsschutz durch einstweilige Verfügung keine Sonderregelung trifft und es bei den hierfür vorgesehenen gesetzlichen Regeln der ZPO beläßt.“
(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.1993 – 2 W 97/93)

Nichts anderes gilt im Gebrauchsmusterrecht:

„Einstweilige Verfügungen auf Unterlassung von Geschmacksmusterverletzungen können wie sonstige Leistungsverfügungen nur bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden. Dabei ist ohne die Vermutung des § 12 I UWG einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn die Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen seine Notwendigkeit ergibt. Zwar kann zu berücksichtigen sein, dass Schutzrechte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs verletzt worden sind, weshalb Wiederholungen vermutet werden, deren alsbaldige Abstellung im Interesse des Verletzten liegt. Dem Interesse des Ast. an einer sofortigen Unterbindung von Schutzrechtsverletzungen kommt aber nicht regelmäßig der Vorrang vor dem Interesse des Ag. zu, nicht schon auf Grund einer summarischen Prüfung mit einem Verbot belegt zu werden. Denn die Schutzrechtslage und die Verletzungsfrage verlangen häufig eine sorgfältigere Prüfung.“
(
OLG Düsseldorf – Urteil vom 08.07.2008 – I – 20 U 43/08)

„Dringlichkeitsfristen“: Ab wann liegt dringlichkeitsschädliches Verhalten vor?

Nach Kenntniserlangung darf vom Antragsteller nicht zu lange mit der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewartet werden. Andernfalls kann er sich im Falle des Vorliegens einer Dringlichkeitsvermutung selbst widerlegen; liegt keine Dringlichkeitsvermutung vor, kann er die Glaubhaftmachung der Dringlichkeit vereiteln.

Teilweise wird gefordert, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung habe innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung zu erfolgen:

„Die Vermutung der Dringlichkeit nach § 12 I UWG ist widerlegt, wenn der Anspruchsgläubiger trotz Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes eine längere Zeit mit der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs zugewartet hat, so dass die Annahme begründet ist, dass ihm die Sache nicht so eilig ist. Dabei geht der Senat regelmäßig davon aus, dass die Dringlichkeitsvermutung widerlegt ist, wenn er nach Kenntnisnahme länger als einen Monat mit der Stellung des Verfügungsantrages zuwartet.“
(
OLG Hamm, Beschluss vom 09.09.2010 – 4 W 97/10; ähnlich: OLG München, Urteil vom 07.02.2019 – 29 U 3889/18)

Andernorts wird eine Monatsfrist als „Richtwert“ im Rahmen einer Gesamtabwägung angenommen:

„Bei der Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Monatsfrist nach der Rechtsprechung des Senats nicht um eine starre Frist, sondern nur um einen Richtwert handelt. Im vorliegenden Fall ist die Monatsfrist, selbst wenn zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt wird, dass die Antragstellerin bereits am 3. Juni 2013 Kenntnis erlangt hat, und dass die Kenntnis der "Junior-Produktmanagerin" T. genügte, um den Lauf der Dringlichkeitsfrist in Lauf zu setzen, nur um fünf Tage überschritten. Dies entspricht dem Zeitraum, der erforderlich war, um die gebotene Aufklärung seitens der Antragsgegnerin über den Hintergrund der Eintragung in die Lauer-Taxe zu erhalten (20. bis 25. Juni). Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall ein Verfügungsgrund im Ergebnis noch gegeben.“
(
OLG Köln, Urteil vom 25.07.2014 – 6 U 197/13; ähnlich: OLG Nürnberg, Urteil vom 13.11.2018 – 3 W 2064/18; OLG Koblenz, Urteil von 23.02.2011 – 9 W 698/10)

Ebenfalls vertreten wird ein Richtwert von sechs Wochen:

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats gibt es insbesondere keine starre Frist von sechs Wochen, innerhalb der der Antragsteller seinen Anspruch geltend machen muss. Dieser Zeitraum bildet jedoch einen groben Zeitrahmen, an welchem sich die unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung orientieren kann.“
(
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.06.2013 – 6 W 61/13)

Mitunter kann eine Frist von bis zu acht Wochen angemessen sein:

„Angesichts der der Antragstellerin bereits Ende Mai 2010 bekannt gewordenen Markenanmeldung (die bereits nicht nur hinsichtlich der angemeldeten Warenklasse 25, sondern auch hinsichtlich der angemeldeten Warenklasse 24 erhebliche Verwechslungsgefahren als möglich erscheinen ließ) hätte die Antragstellerin aber bei einem auf Dringlichkeit bedachten Vorgehen die Regelfrist von 2 Monaten nicht mehr fast annähernd vollständig verstreichen lassen dürfen. Von besagter Regelfrist des Senats können Ausnahmen denkbar sein, die aber im Interesse der Rechtssicherheit allenfalls bei besonders extremen Umständen des Einzelfalls in Betracht kommen.“
(
KG, Beschluss vom 14.12.2010 – 5 W 295/10; vergleichbar: OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.05.2019 – 20 U 116/18; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.02.2009 – 4 U 204/08)

An anderer Stelle wird letztlich auf die Anwendung von Fristen oder Richtwerten verzichtet und eine Gesamtabwägung vorgenommen:

„Die vorliegend verstrichene Zeit des „Zuwartens“ auf Seiten der Antragstellerin ist noch nicht als dringlichkeitsschädlich im obigen Sinne zu bewerten. Die Zeitspanne zwischen Kenntnisnahme am 16.07.2018 bis zur Antragstellung am 21.8.2017 liegt nur knapp über der von vielen Oberlandesgerichten bei der Frage der Dringlichkeit angewandten Regelfrist von einem Monat, binnen der die Eilbedürftigkeit in keinem Fall abgelehnt wird. Eine nur geringfügige Überschreitung dieser Frist führt allerdings auch in Hamburg nicht zu einer automatischen Bejahung der Dringlichkeit. Vielmehr sind nach ständiger Rechtsprechung der Hamburger Gerichte, die keine starren Regelfristen anwenden, jeweils die Umstände des Einzelfalles zu würdigen, wobei eine längere Untätigkeit des Unterlassungsgläubigers dringlichkeitsschädlich ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, ist eine Gesamtbetrachtung ihres prozessualen und vorprozessualen Verhaltens geboten. Zu berücksichtigen sind unter anderem etwa die Art des Verstoßes und die Schwierigkeit der Materie, die Erforderlichkeit von Ermittlungen, die Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung, Einigungsverhandlungen, Feiertage u.ä.“
(
OLG Hamburg, Urteil vom 16.04.2020 – 15 U 124/19)

Die Rechtsprechung ist somit uneinheitlich. Mit einer Antragstellung innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung sollte der Antragsteller jedoch „auf der sicheren Seite“ sein.

Fazit zu Dringlichkeitsvermutungen im gewerblichen Rechtsschutz

Bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gelten sogenannte Dringlichkeitsvermutungen im Wettbewerbsrecht (§ 12 I UWG) und im Markenrecht (§ 140 III MarkenG). Im Urheberrecht, Patentrecht und Gebrauchsmusterrecht gelten Dringlichkeitsvermutungen weder unmittelbar noch analog. Liegt eine Dringlichkeitsvermutung vor, ist zu beachten, dass diese widerlegbar ist. Insbesondere das Risiko einer unbeabsichtigten Selbstwiderlegung sollte nicht außer Acht gelassen werden. Greift keine Dringlichkeitsvermutung ein, ist die Dringlichkeit vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen. Aufgrund der uneinheitlichen Beurteilung der diesbezüglichen „Fristen“ ist gute Kenntnis der diesbezüglichen Rechtsprechung von Vorteil. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, den Rat eines auf Marken-, Urheber-, beziehungsweise Patentrecht spezialisierten Fachanwalts einzuholen.

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