Kostenlosen Ratgeber zur Verteidigung gegen
Abmahnung als 28 Seiten PDF-Dokument
Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!
Gerade im Hinblick auf Abmahnungen welche beispielsweise wegen angeblich illegalem Filesharing oder angebich illegalem Streaming versendet werden könnte die Gefahr bestehen, dass durch eine Veröffentlichung der Namen der Abgemahnten in einer Gegenerliste im Internet eine Art Internet-Pranger entstehen könnte oder dass zumindest die Veröffentlichung auf einer solchen peinlichen Liste den Abgemahnten in Aussicht gestellt werden könnte.
Normalerweise dürfen Rechtsanwaltskanzleien Listen ihrer Gegner veröffentlichen. So entschied sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon im Jahr 2007 zugunsten von Rechtsanwälten, die eine Gegnerliste veröffentlicht hatten (BVerG, Urteil vom 12.12.2007, Az. 1 BvR 1625/06).
Das Landgericht Köln untersagte jedoch im Jahr 2012 einer Rechtsanwaltskanzlei die Veröffentlichung einer sogenannten Gegnerliste (LG Köln, Urteil vom 31.10.2012, Az. 14 O 407/12). Ein Anbieter von Internetanschlüssen, also ein Internetprovider, hatte eine einstweilige Verfügung beim Gericht beantragt.
„Am 20.08.2012 kündigte die Verfügungsbeklagte [ergänze: die Rechtsanwaltskanzlei] auf ihrer Internetseite an, dort voraussichtlich ab dem 01.09.2012 eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen ("Gegnerliste") zu veröffentlichen ([...]). Die Zusammensetzung der Gegner-Auswahl ließ die Verfügungsbeklagte [ergänze: die Rechtsanwaltskanzlei] offen, wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass zu ihren Mandaten u. a. auch Auftragnehmer aus der Erotikbrache gehören.“ (LG Köln, Urteil vom 31.10.2012, Az. 14 O 407/12, openJur 2013, 22203, in Tz. 6, Schreibfehler bei Erotikbranche im Original)
In den oben genannten, besonderen Fall sah das Landgericht Köln jedoch die Gefahr, dass die Liste eine Prangerwirkung haben würde, also die Gegner öffentlich zur Schau stellen würden. Denn diese Anwälte seien insbesondere bekannt dafür, Unternehmen der Erotik- und Porno-Industrie zu vertreten. Gerade für die möglicherweise auch betroffenen Privatpersonen gehörten diese Daten dann also innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Privatpersonen zum Bereich ihrer besonders geschützten Intim- und Geheimsphäre:
„ Die Daten, deren Veröffentlichung in Rede steht, sind der Privat- bzw. Intimsphäre der betroffenen Personen zuzuordnen. Die Nennung ihrer Namen auf einer Gegnerliste der Verfügungsbeklagten würde in der Öffentlichkeit als zumindest mittelbare Aussage darüber verstanden werden, dass sie sich - unabhängig von der Haftungsform - an illegalem Filesharing pornografischer Filmerzeugnisse beteiligt haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfügungsbeklagte - was sie in der Ankündigung vom 20.08.2012 offengelassen hat - außer den Namen der Betroffenen weitere Angaben, etwa den streitgegenständlichen Werktitel, veröffentlichen würde. Denn [...]“ [ergänze: es] „ist unstreitig,“ [...] [ergänze: dass die Rechtsanwaltskanzlei in Auskunftsverfahren gegen den Internetanbieter] „in der jüngeren Vergangenheit fast ausschließlich Filmproduktions- und -vertriebsunternehmen aus der Erotik- und Pornografiebranche vertreten hat.“
Daher sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht insbesondere der Privatpersonen in diesem Fall wichtiger als ein mögliches Recht auf Werbung der Rechtsanwaltskanzlei, das diese aus ihrer Berufsfreiheit herleiten wollte. Insbesondere sei dies so, weil in diesem Fall aus der Liste mit den Namen noch nicht einmal abgeleitet werden könne, ob die Rechtsanwälte besonders erfolgreich seien. Denn es stand zu befürchten, dass die Liste noch nicht einmal nur Fälle betroffen hätte, in denen die Rechtsanwaltskanzlei schon Erfolg hatte.
Aus dem Urteil des Landgerichts Köln kann man also nicht sicher ableiten, dass bei Filesharing-Fällen immer eine Veröffentlichung der Daten der Gegner im Internet verboten sei oder als Datenmissbrauch gelten würde. So könnte man auch überlegen, ob das Landgericht die Sache nicht so entschieden hätte, wenn die Umstände andere gewesen wären. Wie wäre es beispielsweise gewesen, wenn die Kanzlei nicht hauptsächlich wegen Filesharing von Pornofilmen abmahnen würde?
Wie hätte also das Gericht entschieden, wenn sich die Rechtsanwälte in erster Linie mit Abmahnungen wegen aktueller Songs, Serienfolgen oder normaler Spielfilme beschäftigen würden?
Was wäre gewesen, wenn nur die Namen und Adressen zu erfolgreich abgeschlossenen Fällen veröffentlicht werden sollten, beispielsweise solche, in denen eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde oder etwas Entsprechendes vor Gericht durchgesetzt wurde?
Das Landgericht Köln hat nicht entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, aus dem unter anderem auch das Recht auf Datenschutz abgeleitet wird, immer wichtiger sei als die Berufsfreiheit von Rechtsanwälten.
Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte in Zukunft der Veröffentlichung oder auch der bloßen Weitergabe solcher Gegnerlisten in Bezug auf Privatpersonen generell enge Grenzen setzen mögen. In diese Richtung geht auch zumindest die Begründung eines Urteils des Landgerichts Essen (LG Essen, Urteil vom 11.04.2013, Az. 4 O 405/12). Das Landgericht Essen (LG Essen) schrieb ebenfalls zu einem Fall der (ehemals) angedrohten Veröffentlichung der Gegnerliste der Kanzlei mit Mandanten aus der Pornoindustrie in den Gründen:
„[...] Denn bei dem Kläger handelt es sich um eine Privatperson. Der Name einer Privatperson, die nicht im Geschäftsleben in die Öffentlichkeit tritt, darf nicht als Mittel zum Zweck für Werbemaßnahmen genutzt werden [...]. Ein besonderes Interesse der Beklagten, Rechtsstreitigkeiten mit dem Kläger unter Veröffentlichung seines Namens zu vermarkten, um auf diesem Wege besondere Erfahrungen in einer speziellen Rechtsmaterie zu dokumentieren und dadurch neue Mandate zu akquirieren, ist auch nicht erkennbar.“ (LG Essen, Urteil vom 11.04.2013, Az. 4 O 405/12, juris, in Tz. 28)
Diese Überlegungen des Landgerichts Essen wirkten sich aber nicht auf die eigentliche Entscheidung aus: Ein Verbot sprach das LG Essen nicht aus. Es verurteilte (im Gegensatz zum Landgericht Köln) die Rechtsanwaltskanzlei nicht (nochmals) zur Unterlassung der Veröffentlichung der Liste oder zum Ersatz der Kosten der Abmahnung. Insbesondere war für das LG Essen wichtig, dass die Rechtsanwälte inzwischen auf ihrer Internetseite erklärt hatten:
„Der [...] Rechtsanwaltsgesellschaft mbH wurde durch eine Anordnung des Bayrischen Landesamtes für Datenschutz und durch Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz die Veröffentlichung einer Gegnerliste untersagt. Wir sehen daher von der Veröffentlichung der Gegnerliste ab." (LG Essen, Urteil vom 11.04.2013, Az. 4 O 405/12, juris, in Tz. 5)
Es ist jedenfalls festzuhalten, dass Rechtsanwälte mit den Daten der Gegner in manchen Fällen nicht so umgehen könnten, wie sie es tun müssten. Man sollte sich also überlegen, ob und welche Angaben man beispielsweise gegenüber einer Rechtsanwaltskanzlei macht, die zum Beispiel bei einer Abmahnung den Gegner vertritt. Weiter sollte man sich sehr gut überlegen ob man in derartigen Fällen beispielsweise eine Unterlassungserklärung abgibt oder lieber davon Abstand nehmen sollte. Hieran sollte man rechtzeitig vor einem möglichen Fristablauf denken und einen eigenen Anwalt rechtzeitig einschalten, der die eigenen Interessen vertritt und unter anderem darauf achtet, dass nicht unnötig Daten der Gegenseite mitgeteilt werden. Dazu ist zum Beispiel ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im IT-Recht besonders geeignet, denn zum IT-Recht zählt auch das Datenschutzrecht.
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