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Abmahnung als 28 Seiten PDF-Dokument
Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!
Die Frage, ob der Schuldner einer Unterlassungserklärung verpflichtet ist, den Google Cache löschen zu lassen ist höchstrichterlich ungeklärt und bei den Instanzgerichten umstritten. Unterlassungsschuldnern welche bespielsweise schon wegen einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt wurden drohen dadurch unter Umständen hohe Kostenrisiken.
Die hier dargestellte Problematik dreht sich um die Frage, ob derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, verpflichtet ist auch den Google Cache von dem urheberrechtsverletzenden Inhalt zu bereinigen. Der Google Cache ist eine Art temporäres Internetarchiv. Google speichert für jede URL, die in den Suchmaschinenindex aufgenommen wurde, die letzte Version dieser Seite im Cache. Dieser wird ca. alle 7 Tage aktualisiert. In den Suchergebnissen von Google kann die Cache Version direkt über den jeweiligen Suchtreffer aufgerufen werden. Bei Klick auf den Cache-Link wird dem Besucher eine frühere Version der Webseite angezeigt. Google weist dabei auf Datum und Uhrzeit des Webseitenabbilds hin. In den hier besprochenen Fällen ist es in der Regel so, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Anschließend erfolgt die Abmahnung durch den Rechteinhaber wegen einer Verletzung der Unterlassungserklärung inklusive dem Fordern der vorgesehenen Vertragsstrafe. Grund ist, dass der urheberrechtsverletzende Inhalt immer noch im Google Cache zu finden ist. Ob das tatsächlich eine Verletzung der Unterlassungserklärung ist, wird von den Gerichten unterschiedlich gesehen und ist noch nicht durch den BGH geklärt.
So hat das OLG Celle (Urteil vom 29.1.2015, Az. 13 U 58/14) entschieden, dass der Schuldner eines Unterlassungsgebots, also derjenige der die Unterlassungserklärung unterschrieben hat, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen habe, dass die betroffenen Inhalte nicht mehr im Internet aufgerufen werden können. Zumutbar sei auch die Löschung aus der Google Cache. In seinem Urteil führt das Gericht dazu aus (OLG Celle, a.a.O.):
Dem Schuldner obliegt es dabei, zu überprüfen, ob die auf der Webseite entfernten Inhalte bzw. die gelöschten Webseiten noch über die Trefferliste dieser Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen. Soweit teilweise darauf abgestellt wird, dass mangels entgegenstehender Anhaltspunkte der Schuldner nicht (sämtliche oder wenigstens die wichtigsten) Suchmaschinen daraufhin überprüfen (lassen) muss, ob dort noch die alte Seite gespeichert ist, sondern sich darauf verlassen kann, dass diese laufend ihren Datenbestand aktualisieren (OLG Köln, Beschluss vom 25.04.2007 - 6 W 40/07), stellt dies eine Frage der Zumutbarkeit dar. (OLG Celle, Urteil vom 29.1.2015, Az. 13 U 58/14, Löschung der Google Cache) (Hervorhebungen nicht im Original)
Das Gericht hält das Problem, ob denn auch die Caches von anderen Suchmaschinen oder Internetarchiven (z.B. https://archive.org ) gelöscht werden müssten für eine Zumutbarkeitsfrage. Im konkreten Fall nahm es dazu keine Stellung, da die Löschung bei Google in jedem Fall zumutbar gewesen sei. Auch das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 3.9.2015 (Az. I-15 U 119/14) geurteilt, dass die Löschung der Google Cache veranlasst werden müsse. So stellt das Gericht fest (OLG Düsseldorf, a.a.O.):
Die Unterlassungsverpflichtung umfasst die Pflicht des Beklagten, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrages hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 3.9.2015, Az. I-15 U 119/14,Verpflichtung zur Löschung der Cache) (Hervorhebungen nicht im Original)
Ob sich diese Verpflichtung auch auf andere Suchmaschinen als Google bezieht, hat das OLG Düsseldorf nicht entschieden. Auch hier wurde es jedenfalls für nötig gehalten, die Google Cache löschen zu lassen.
Die gegensätzliche Rechtsauffassung wird vom OLG Zweibrücken vertreten. In seinem Urteil vom 19.5.2016 (Az. 4 U 45/15) hat das Gericht entschieden, dass die Löschung der Google Cache nicht notwendig war. Im konkreten Fall ging es um ein Angebotsbild bei eBay. Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass der durchschnittlich versierten Internetnutzer gar keine Kenntnis davon hätte, dass es so etwas wie ein Cache existiere und man dort gezielt suchen könne. Es sei außerdem nicht zu erwarten, dass Kaufinteressenten eine Suche nach bebilderten Kaufangeboten „im Archiv“ anstellen würden. Eine Suche fände nur auf der aktuellen Internetseite statt. Dem ist unserer Ansicht nach zuzustimmen. Es erscheint sehr ungewöhnlich und dem „normalen“ Nutzerverhalten nicht zu entsprechen, auf veralteten Abbildern von Websites nach Kaufangeboten zu suchen. Zusätzlich sei es im konkreten Fall auch zeitlich nicht möglich gewesen, die Löschung rechtzeitig zu veranlassen. Dazu heißt es im Urteil (OLG Zweibrücken, a.a.O.):
(…) war es im vorliegenden Fall dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar, in der kurzen Zeitspanne zwischen der Abgabe der Unterlassungserklärung (26. März 2014) und der Überprüfung im „Cache“ der Suchmaschine „Google“ (am 8. April 2014) auch die Archive der gängigen Internetdienste darauf zu überprüfen, ob die beanstandete Abbildung dort möglicherweise noch auffindbar war. Ohne dass dieser Frage weiter nachgegangen werden müsste, erscheint es im Übrigen auch durchaus zweifelhaft, ob der Beklagte in der kurzen Zeitspanne bis zum 8. April 2014 überhaupt eine realistische Chance gehabt hätte, bei dem Betreiber von „Google“ eine Entfernung des Lichtbildes aus dem „Cache“ durchzusetzen. (OLG Zweibrücken, Urteil vom 19.5.2016, Az. 4 U 45/15, Zeitliche Unzumutbarkeit der Löschung)
Die Rechtsauffassung des OLG Zweibrücken wird vom LG Halle geteilt. Das LG Halle entschied schon in seinem Urteil vom 31.5.2012 (Az. 4 O 883/11), dass eine generelle Pflicht zur Löschung der Caches nicht bestehe. Begründet wird das Urteil damit, dass eine Unterlassungspflicht nicht für frühere Handlungen bestehen könnte. Außerdem sei es unzulässig dem Unterlassungsschuldner eine Pflicht zum Aktivwerden aufzuerlegen. Er muss nämlich selbst die Löschung, z.B. in der Google Cache veranlassen. Bei den Caches handele es sich schließlich um Angebote Dritter, auf die der Unterlassungsschuldner keinen direkten Einfluss habe. Die Passage des Urteil dazu lautet (LG Halle, a.a.O.):
Zum einen kann die Vertragsstrafe diese frühere Handlung der Beklagten nicht erfassen und an sie anknüpfen, da diese Handlung zu einer Zeit erfolgt ist, zu der noch keine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungspflicht der Beklagten bestand (vgl. BGH, Urteil vom 18.5.2006, Az.: I ZR 32/03). Zum anderen hat sich die Beklagte in der strafbewehrten Unterlassungserklärung allein zu einem Unterlassen verpflichtet, nicht aber auch die Pflicht übernommen, aktiv tätig zu werden und Dritte – etwa Google und alle anderen Suchmaschinenbetreiber weltweit - dazu aufzufordern ebenfalls nichts entsprechendes mehr zu veröffentlichen. (LG Halle, Urteil vom 31.5.2012, Az. 4 O 883/11, Keine Pflicht zur Löschung der Cache)
Es finden sich, wie oben gesehen sowohl Urteile für die eine als auch für die andere Rechtsansicht. Eine Klärung dieser Problematik durch den BGH steht noch aus. Bis jetzt haben die entscheidenden Instanzgerichte die Revision nicht zugelassen. Unserer Ansicht nach wäre eine solche allerdings mittlerweile sehr wünschenswert, um eine einheitliche Rechtsprechung sicherzustellen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es weiter ungeklärt ist, ob bei Abgabe einer Unterlassungserklärung auch die Löschung der Google Cache zu veranlassen ist, oder nicht. Die Gerichte, die eine solche Pflicht bejaht haben, müssen sich unserer Ansicht nach allerdings die Frage gefallen lassen, was sie einem Unterlassungsschuldner konkret zumuten wollen. Im Internet gibt es unzählige Suchmaschinen und Archive. Es erscheint unzumutbar, wenn nicht sogar schlicht unmöglich, das gesamte Internet nach dem urheberrechtsverletzenden Inhalt zu durchsuchen und eine Löschung zu veranlassen. Hinzu kommt noch, dass möglicherweise nicht alle Internetseiten in dieser Hinsicht so kooperativ sind wie Google. Unserer Ansicht nach entstehen dadurch eine große Rechtsunsicherheit und ein hohes Risiko für Unterlassungsschuldner. Bis zu einer Klärung der Problematik durch den BGH sollte man jedoch unserer Ansicht nach zumindest bei den gängigen Suchmaschinen die Löschung der Cache veranlassen, um sich nicht unnötig dem Risiko auszusetzen, eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen.
Ob eine Abmahnung im Einzelfall gerechtfertigt ist, sollte unserer Ansicht nach von einem Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Urheberrecht und/oder IT-Recht überprüft und beraten werden!
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