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In seinem Urteil vom 11.11.2015, AZ: 21 K 450/15, hat das VG Köln entschieden, dass der E-Mail-Dienst von Google, G-Mail, ein Telekommunikationsdienst i.S.d. §3 Nr. 24 TKG sei. Das Unternehmen wehrte sich mit seiner Klage gegen die Aufforderung der Bundesnetzagentur seinen Dienst nach §6 I TKG anzumelden. Das VG Köln wies diese Klage mit seiner oben genannten Entscheidung ab.
Bereits im Jahr 2010 forderte die Bundesnetzagentur Google erstmals auf, seinen E-Mail- Dienst bei ihr anzumelden, weil es sich dabei um einen nach §6 I TKG anmeldepflichtigen Telekommunikationsdienst handele. Google hat diese Rechtsauffassung gegenüber der Bundesnetzagentur über den ganzen Zeitraum bestritten. Google beantragte im Rahmen der mehrjährigen vorgerichtlichen Auseinandersetzung sogar eine Einordnung ihres Services in den europäischen Rechtsrahmen bei der EU-Kommission. Nachdem der Widerspruch Googles gegen die Anordnung der Bundesnetzagentur endgültig abgewiesen wurde, erhob das Unternehmen Ende Januar 2015 Anfechtungsklage vor dem VG Köln, welche mit dem oben genannten Urteil abgewiesen wurde.
Ob ein Service der Anmeldepflicht des §6 I TKG unterliegt hängt maßgeblich davon ab, ob es sich um einen Telekommunikationsdienst i.S.d. §3 Nr. 24 TKG handelt. Dieser definiert Telekommunikationsdienste als „in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen“. Google vertrat die Auffassung, dass sein Dienst „G-Mail“ nicht der Übertragung von Informationen diene. Diese würden nämlich über das Internet übertragen. Vor dem VG Köln führte Google dazu aus:
Es fehle bei dem von ihr angebotenen Dienst an einer ihr zuzurechnenden bzw. von ihr zu verantwortenden überwiegenden Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG. Bei der Übermittlung der E-Mail vom Nutzer zum Mailserver des Webmail-Anbieters finde die Signalübertragung ausschließlich durch den Internet Access Provider statt, den der die E-Mail versendende Nutzer gewählt habe. Bei der Übermittlung der E-Mail vom Mailserver des Webmail-Diensteanbieters an den empfangenden Mailserver über das Internet finde gleichfalls keine dem Webmail-Anbieter zuzurechnende überwiegende Signalübertragung im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG statt. Der Webmail-Anbieter sende lediglich die vom Nutzer erstellte Nachricht ab, wobei die Signalübertragung "über das Internet" erfolge
Weiter ist Google der Ansicht, dass, sollte man von Signalübertragung durch den E-Mail-Dienst ausgehen, diese zumindest nicht überwiegen würde:
Selbst wenn man aber von einer Signalübertragung ausgehen wollte, die ihr zuzurechnen sei, so handelte es sich bei dem von ihr erbrachten Dienst jedenfalls nicht um einen solchen, der im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG "überwiegend" in der Übertragung von Signalen bestehe, denn hierfür fehle es ihr an der erforderlichen Kontrolle und Verantwortung für die Signalübertragung. Für die Einordnung ihres Dienstes als Telekommunikationsdienst im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG sei ein gewisses Maß an Kontrolle über und Verantwortung für die Signalübertragung zwingend erforderlich. Andernfalls würden die Merkmale des Telekommunikationsdienstes bei nahezu allen IP-basierten Diensten erfüllt sein. Eine gewisse Kontrolle und Verantwortung des Diensteanbieters hinsichtlich der Signalübertragung sei auch deshalb erforderlich, weil andernfalls die an die Einordnung eines Dienstes als Telekommunikationsdienst anknüpfenden telekommunikationsrechtlichen Pflichten von dem Diensteanbieter nicht erfüllt werden könnten.
Das Gericht folgte dieser Auslegung unserer Ansicht nach nicht. Zunächst stellt das Gericht in seinem Urteil fest, dass ein Telekommunikationsdienst maßgeblich durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet sei: Zum einen durch die regelmäßige Entgeltlichkeit der Dienste, zum anderen durch den Gegenstand des Dienstes, der zumindest überwiegend in einer Signalübertragung über Telekommunikationsnetze bestehen müsse. Nach Ansicht des VG Köln liegen diese Eigenschaften bei Googles E-Mail-Dienst vor. Insbesondere spiele es keine Rolle, dass die Signalübertragung nicht durch den Dienst selbst erfolge, sondern „über das Internet“.
Der Umstand, dass bei H. die Signalübertragung nicht durch die Klägerin selbst, sondern durch die beteiligten Internet-Provider erfolgt bzw. über das offene Internet stattfindet, ist für die Einordnung des Dienstes nicht entscheidend, da der gesamte Kommunikationsvorgang einheitlich betrachtet werden muss und die einzelnen Prozessschritte daher nicht getrennt bewertet werden können.
An der Entgeltlichkeit bzw. der Gewerblichkeit des Angebots bestehe kein Zweifel. Nach Überzeugung des Gerichts besteht der Dienst auch ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze. Dazu führt es aus:
Während der Begriff der "Signalübertragung" einen technischen Vorgang beschreibt, erfordert die Beurteilung, ob ein Dienst überwiegend in der Übertragung von Signalen besteht, eine auf den gesamten Dienst bezogene Wertung, die sowohl die Nutzer- als auch die Anbietersicht, aber auch die gesetzgeberischen Intentionen mit in den Blick zu nehmen hat. Stellt man auf die Nutzersicht ab, steht bei H. als E-Mail-Dienst die raumüberwindende Kommunikation mit anderen Nutzern und damit der Telekommunikationsvorgang selbst, d.h. die Möglichkeit, Nachrichten vom Versender zum Empfänger übertragen zu können, im Vordergrund. Die Signalübertragung und nicht etwa inhaltsbezogene Komponenten ist der Zweck bzw. Hauptgrund der Nutzung des Dienstes.
In einer Welt, in der zunehmend über E-Mail und andere moderne Kommunikationsmittel kommuniziert wird sei es entscheidend, dass auch ein gewisser Gleichlauf an Regulierung der Dienste herrsche. Dies sei aus Verbraucherschutz- und Wettbewerbsgründen erforderlich und ebenfalls Sinn und Zweck der Anmeldepflicht aus §6 I TKG:
Sie [die Anmeldepflicht] dient vor allem dem Zweck, der Behörde die Überwachung der Tätigkeit auf dem Markt und ggf. die Auferlegung von Verpflichtungen nach dem Telekommunikationsgesetz zu ermöglichen, vor allem auch im Hinblick auf Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit sowie des Kunden- und Datenschutzes. Die Einordnung dient damit auch dem Regulierungsziel der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG), auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass E-Mail-Dienste und andere vergleichbare Kommunikationsdienste zunehmend klassische Telekommunikationsdienste substituieren können. Die Einordnung als Telekommunikationsdienst mit den daran anknüpfenden telekommunikationsgesetzlichen Folgen kann damit auch von Bedeutung sein für die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung von Technologieneutralität (vgl. § 1 TKG).
Die Entscheidung des VG Köln könnte unserer Ansicht nach große Auswirkungen auf die Betreiber von E-Mail-Diensten haben. Alle Anbieter müssten sich zukünftig bei der Bundesnetzagentur anmelden, sonst können ihnen Zwangsgelder, oder sogar die Untersagung ihres Dienstes nach §126 TKG drohen. Außerdem unterliegen Telekommunikationsdienste strengeren Anforderungen an den Datenschutz (z.B. §§88 ff. TKG).
Fraglich ist unserer Ansicht nach, ob das Urteil des VG Köln rechtlich Bestand haben wird. Zurzeit ist die Berufung von Google beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen anhängig (AZ: 13 A 17/16). Mit einer Entscheidung ist noch im Laufe dieses Jahres zu rechnen.
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