Marken- und Urheberrecht: Berechnung des Verletzergewinns

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Im Rahmen von Schadensersatzansprüchen bei Verletzung des Marken-, Urheber-, Patent- oder auch Wettbewerbsrecht steht es dem Verletzten als Möglichkeit frei zu, vom Verletzer den sogenannten Verletzergewinn zu verlangen. Schwierigkeiten können vor allem bei der Berechnung des Verletzergewinns auftreten. Grundsätzlich geht man in zwei Schritten vor. In einem ersten Schritt wird die Höhe des Verletzergewinns bestimmt. Danach ist in einem zweiten Schritt der Verletzungsgewinn zu bestimmen, welchen der Verletzte dann beanspruchen kann. Im Rahmen des Verletzergewinns ist dem Tatrichter ein weites Ermessen der Schätzung nach § 287 ZPO eingeräumt.

Wie wird der Verletzergewinn berechnet?

Für die Berechnung des Verletzergewinns kann man auf die folgende allgemeine Formel abstellen:

Herauszugebender Verletzergewinn = (Umsatz - abzugsfähige Kosten) x Kausalanteil

Es ist grundsätzlich zunächst der Umsatz des Verletzers zu bestimmen. Von diesem sind dann die abzugsfähigen variablen Kosten abzuziehen. Ist dies geschehen, muss noch der Kausalanteil bestimmt werden, den der Verletzte verlangen kann. Der BGH stellt folgende Grundsätze zum Verletzergewinn auf:

„Das BerGer. hat seiner Beurteilung zutreffend zu Grunde gelegt, dass es dem Verletzten freisteht, zur Berechnung des zu fordernden Schadensersatzes im Kennzeichenrecht - ebenso wie im Falle der Verletzung anderer Schutzrechte - zwischen dem konkreten Schaden (vor allem dem entgangenen Gewinn) und einem abstrakten Schaden (Lizenzanalogie oder Verletzergewinn) zu wählen. […] Berechnet der Verletzte seinen Schaden anhand des erzielten Verletzergewinns, ist bei allen Schutzrechten, insbesondere aber im Falle von Kennzeichenrechtsverletzungen, zu beachten, dass sich der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns stets nur auf den Anteil des Gewinns bezieht, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts beruht“. (BGH, Urteil vom 6. 10. 2005 - I ZR 322/02; GRUR 2006, 419, Hervorhebungen nicht im Original)

Nach Einführung der Enforcement-Richtlinie, welche in Art. 13 I 2 lit. a lediglich von „Gewinn“ spricht, ist dieser Begriff als der Erlös nach Abzug der Kosten zu verstehen.

Welche Kosten dürfen vom Verletzergewinn abgezogen werden?

Besonders bedeutsam sind die Kosten, welche der Verletzer von seinem Gewinn abziehen kann. Durch abzugsfähige variable Kosten kann der Verletzer seinen Gewinn schmälern. Die Grenze zwischen abzugsfähigen variablen Kosten und nicht abzugsfähigen Fixkosten ist danach zu bestimmen, ob die Kosten dem konkreten Produkt oder dem Gesamtbetrieb zuzuordnen sind. Der grundsätzlicher Abzug eines Gemeinkostenanteils ist nach der Auffassung des BGH nicht erlaubt.

„Im Hinblick auf diese Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist der Verletzergewinn von dem Gewinn eines Unternehmens, das auch seine Gemeinkosten erwirtschaften muss, um lebensfähig zu bleiben, zu unterscheiden. Nach Sinn und Zweck des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns ist es grundsätzlich gerechtfertigt, bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den erzielten Erlösen nur die variablen (d.h. vom Beschäftigungsgrad abhängigen) Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände abzuziehen, nicht auch Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen Beschäftigung unabhängig sind (z.B. Mieten, zeitabhängige Abschreibungen für Anlagevermögen). Würde dem Verletzer uneingeschränkt gestattet, von seinen Erlösen einen Gemeinkostenanteil abzusetzen, würde im Allgemeinen der aus der Rechtsverletzung stammende Gewinn nicht vollständig abgeschöpft. Dem Verletzer verbliebe vielmehr ein Deckungsbeitrag zu seinen Fixkosten (vgl. dazu näher Lehmann, BB 1988, 1680 [1688f.]). Dies stünde in Widerspruch zu Sinn und Zweck des Schadensausgleichs in der Form der Herausgabe der Verletzergewinns und insbesondere zu dem Gedanken, dass der Verletzte durch die Herausgabe des Verletzergewinns so zu stellen ist, als hätte er ohne die Rechtsverletzung den gleichen Gewinn wie der Rechtsverletzer erzielt. Denn in diesem Fall hätte der Verletzte bei einem Einsatz des eigenen Unternehmens für die Herstellung und den Vertrieb einen Deckungsbeitrag zu seinen eigenen Gemeinkosten erwirtschaften können. (BGH, Urteil vom 2. 11. 2000 - I ZR 246/98; GRUR 2001, 329, Hervorhebungen nicht im Original)

Mögliche Kosten, welche je nach Sachverhalt und Einzelfall abzugsfähig sein können, sind:

  • Einkaufs- und Materialkosten zur Herstellung des Produkts,
  • Kosten für die Anmietung einer Produktionshalle,
  • Personalkosten für Mitarbeiter, welche zur Herstellung, Entwicklung oder zum Vertrieb des Produktes eingestellt sind,
  • Anschaffungskosten von Maschinen, mit denen das Produkt hergestellt wird,
  • Kosten für Verpackung und Versand des Produktes,
  • „Verletzungsfixkosten“ (Fixkosten, die bei der Herstellung des Produktes anfallen).

Nicht abzugsfähig können solche Kosten sein, die unabhängig vom Umfang der Produktion und des Vertriebes des Produktes entstanden sind:

  • Anlauf- und Entwicklungskosten,
  • Allgemeine Marketingkosten,
  • Verwaltungskosten,
  • Geschäftsführergehälter,
  • Kosten, die aufgrund einer Unterlassungsverpflichtung anfallen (z.B. Kosten der nicht mehr absetzbaren Produkte, Schadensersatzzahlungen des Verletzers an Abnehmer; Fertigstellungskosten von Produkten, die nicht mehr vertrieben werden dürfen; Kosten für die Vernichtung und den Rückruf solcher Produkte),
  • Kosten für die Rechtsverteidigung des Verletzers.

Zu beachten ist jedoch, dass es immer eine Einzelfallentscheidung ist, ob Kosten abzugsfähig sind oder eben nicht. In den meisten Fällen entscheidet dies der Tatrichter nach eigenem Ermessen.

Zu den nicht absetzbaren Kosten entschied der BGH:

„Nicht anrechenbar sind ferner Anlauf- und Entwicklungskosten sowie Kosten für die - etwa in Folge der Unterlassungsverpflichtung - nicht mehr veräußerbaren Produkte (für Schadensersatzleistungen an Abnehmer: BGHZ 150, 32 [44] = GRUR 2002, 532 = NJW 2002, 3248 - Unikatrahmen).“ (BGH, Urteil vom 21. 9. 2006 - I ZR 6/04 (OLG Stuttgart) Steckverbindergehäuse; GRUR 2007, 431, Hervorhebungen nicht im Original)

Aus diesem Grund sind auch Einkaufskosten für Produkte, welche nicht mehr vertrieben werden dürfen, ebenfalls nicht vom Verletzergewinn abzugsfähig. Das LG Hamburg zieht in seiner erstinstanzlichen Entscheidung zu den "Tripp-Trapp-Stühlen" nur die Kosten für die verkaufte Ware ab. Dem Sachverhalt nach wurden 77.870 Produkte eingekauft und 66.544 Produkte verkauft. Die Kosten für die nicht mehr absetzbaren Produkte sind jedoch nicht abzugsfähig:

"Der Höhe nach ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des Verletzergewinns ein Anspruch auf Zahlung von € 567.208,31. Die Beklagte setzte im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig mindestens 66.544 Stühle zu einem Netto-Preis von insgesamt € 2.485.118,31 ab. Hierfür wendete sie im Einkauf insgesamt € 1.851.366,00 netto auf. Dem plausiblen Vortrag der Beklagten, dass sich dieser Netto-Einkaufspreis bei Zugrundelegung einer Durchschnittseinkaufspreisberechnung auf Jahresbasis (Durchschnitt des Einkaufspreises des jeweiligen Jahres x Anzahl der im jeweiligen Jahr in Deutschland verkauften Stühle) und Addition der Jahreswerte ergebe, ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Eine solche Einkaufspreisberechnung auf Jahresbasis weist gegenüber der von der Klägerin angestellten Berechnung auf der Basis eines Durchschnittswertes für den gesamten Zeitraum den Vorteil größerer Genauigkeit auf und ist deshalb vorzugswürdig. Weiter in Abzug zu bringen sind schließlich die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Vertriebskosten in Höhe von € 1,00 pro Stuhl, insgesamt mithin € 66.544,00. Danach verbleibt ein Verletzergewinn der Beklagten in Höhe von € 567.208,31 (€ 2.485.118,31 - € 1.851.366,00 - € 66.544,00), der von etwaigen Ansprüchen der Klägerin gegen die Firma H. unabhängig ist.“ (LG Hamburg, Urteil vom 14.05.2004 - 308 O 485/03; BeckRS 2009, 21181, Hervorhebungen nicht im Original)

Vor allem sind Schadensersatzzahlungen des Verletzers, welche er aufgrund einer abgegebenen Unterlassungserklärung an sein Abnehmer zahlen muss, nicht abzugsfähig:

„Mit Schadensersatzzahlungen an seine Abnehmer erledigt der Verletzer demgemäß nur eigene Angelegenheiten. Bei der Bemessung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns wird fingiert, dass der Rechtsinhaber ohne die Rechtsverletzung durch Verwertung seines Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt hätte (vgl. BGHZ 145, 366 [372] = GRUR 2001, 329 = NJW 2001, 2173 = LM H. 5/2001 § 14a GeschmMG Nr. 5 - Gemeinkostenanteil). Dieser Gewinn wäre jedoch nicht durch Schadensersatzzahlungen an die Abnehmer geschmälert worden. Dieses Ergebnis folgt auch aus dem Gedanken, dass der Verletzer letztlich so zu behandeln ist, als habe er in angemaßter Geschäftsführung nach § 687 II BGB gehandelt mit der Folge, dass er Ersatz seiner Aufwendungen gem. § 687 II S. 2, § 684 S. 1 BGB nur nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann“. (BGH, Urteil vom 7. 2. 2002 - I ZR 304/99 (Frankfurt a.M.) Unikatrahmen; GRUR 2002, 532, Hervorhebungen nicht im Original)

Verletzergewinn nur insoweit er auf der Schutzrechtsverletzung beruht (Kausalanteil)

Da der Verletzergewinn nur insoweit herausverlangt werden darf, als das er im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs auf der Verletzung des Schutzrechts beruht, muss der sogenannte Kausalanteil bestimmt werden. Der Verletzte bekommt vom Verletzergewinn nur die Höhe des Kausalanteils.

„Richtigerweise ist der Kausalitätsabschlag auf den Verletzergewinn zu beschränken. Von dem Gesamtgewinn sind daher zunächst die Vertriebskosten abzuziehen; erst danach ist der Verletzergewinn um den Kausalitätsabschlag zu vermindern. (BGH, Urteil vom 14. 5. 2009 - I ZR 98/06 (OLG Hamburg) Tripp-Trapp-Stuhl; GRUR 2009, 856, Hervorhebungen nicht im Orignal)

Anwendungsbeispiele von Kausalanteilen (Rechtsprechung)
  • Bei der Kennzeichnung eines T-Shirts mit der bekannten Wort-/Bildmarke „Ahoj-Brause“ hat das OLG Hamburg dem Verletzten den vollen Verletzergewinn zugebilligt. (OLG Hamburg, Urteil vom 19. 8. 2004 - 3 U 94/03 Beloc Zok/Selokeen; GRUR-RR 2005, 258)
  • Bei der Bewerbung von Badminton-Schlägern in Katalogen und im Internet mit der angesehenen Marke „Speedminton“ unter Ausnutzung ihres Rufes hat das LG Nürnberg-Fürth einen Kausalanteil von zwei Dritteln (66,6 %) des durch den Verkauf der Schläger erzielten Gewinns für angemessen erachtet, obwohl die angebotenen Schläger selbst nicht mit „Speedminton“ gekennzeichnet waren. (LG Nürnberg-Fürth 27.4.2011 –4 HKO 9888/10 – Speedminton)
  • Bei der Verletzung der bekannten Marke „adidas“ und der von „adidas“ etablierten „drei Streifen“, durch hochwertige, teure Sportschuhe, die das Logo „Samsonite“ trugen und mit vier dezenten Streifen als Schnürsenkelhalter versehen waren, die nicht als adidas-Plagiat anzusehen waren, hat das OLG Frankfurt einen Gewinnanteil von 20 % für angemessen gehalten. (OLG Frankfurt a. M. (6. Zivilsenat), Urteil vom 13.03.2003 – 6 U 3/02; BeckRS 2003, 5922, Hervorhebungen nicht im Original)
  • Bei der identischen Übernahme der besonderen Geschäftsbezeichnung „Fair Play“ von Spielhallen durch konkurrierende Spielhallen hat das OLG Köln einen abzuschöpfenden Anteil von nur 7,5 % des Verletzergewinns für angemessen gehalten. (OLG Köln, Urteil vom 08.11.2013 - 6 U 34/13; BeckRS 2014, 174, Hervorhebungen nicht im Original)
Fazit zur Berechnung des Verletzergewinns

Die Berechnung des Verletzergewinns ist in den meisten Fällen nicht so leicht, wie es zunächst erscheint. Gerade bei den abzugsfähigen variablen Kosten gilt es einiges zu beachten. Bei der Beurteilung des Kausalanteils entscheiden die Gerichte oft nach den Umständen des Einzelfalls. Nicht zu vergessen ist auch, dass dem Tatrichter bei Bestimmung sowohl der abzugsfähigen Kosten als auch beim Kausalanteil, ein weites Ermessen im Rahmen des § 287 ZPO eingeräumt ist. Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob der im Rahmen eines Schadensersatzes geforderte Verletzergewinn angemessen ist, empfiehlt es sich einen auf das Urheber- und Markenrecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen.

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