Massenabmahnungen eindämmen durch Gesetzesreform?

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Der Gesetzgeber hat nun die Problematik der massenhaften Abmahnungen, insbesondere bei Filesharing erkannt. In Folge dessen hat nun der Bundestag den Gesetzesentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet (BT-Drucksache: 17/13057).

Die Aufgabe des Gesetzgebers ist im Hinblick auf die gegensätzlichen Interessen nicht einfach. Während die Abgemahnten vor unverhältnismäßig wirtschaftlichen Verlusten bewahrt werden sollen, müssen zugleich auch die Interessen der berechtigten Rechteinhaber ausreichend geschützt werden, die eine Bagatellisierung von Urheberrechtsverletzungen fürchten.

Im Mittelpunkt dieser zweischneidigen Änderungen steht dabei die Neufassung des § 97a UrhG. Nach der aktuell geltenden Fassung des § 97a Abs. 2 UrhG kann sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro beschränken.

In der Vergangenheit wurde diese Norm auch im Filesharingbereich zur Anwendung gebracht (so das AG Frankfurt a.M. vom 01. Februar 2010, Az. 30 C 2353/09-75), die herrschende Rechtsprechung zog es jedoch vor, den Anwendungsbereich der Norm auf eine überschaubare Anzahl von eng umgrenzten Fällen zu reduzieren, wie beispielsweise der „Verwendung eines Lichtbildes in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung ohne vorherigen Rechtserwerb vom Rechtsinhaber“ (OLG Braunschweig vom 08. Februar 2012, Az. 2 U 7/11).

Anders soll es sich nun mit dem neugefassten weiteren Tatbestand verhalten. Während § 97a Abs. 2 UrhG n.F. nunmehr zugunsten von Transparenz die Formulierung von Abmahnungen in klarer und verständlicher Weise fordert und sodann in § 97a Abs. 4 UrhG n.F. einen Gegenanspruch des unberechtigt Abgemahnten statuiert, begrenzt der neue § 97a Abs. 3 UrhG außergerichtlich bei berechtigten Abmahnungen den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf einen Gegenstandswert von 1.000 EUR aus dem die Rechtsanwaltskosten des Vertreter des Abmahners etwa 155,30 EUR berechnet werden. BT-Drucksache 17/13057, S.28, Zu Artikel 9: Gesetzentwurf

§ 49 GKG n.F. bestimmt den Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren.

Diese Begrenzung soll dann angewendet werden, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet und nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.

Anhand der Praxis wird die in der Umsetzung befindliche Reform nun schon beispielhaft deutlich, während das Hamburger Gericht unter geltendem Recht noch die öffentliche Zugänglichmachung eines Tonträgers (Musikalbum) im Rahmen einer Internet-Musiktauschbörse als erhebliche Rechtsverletzung im Sinne des § 97a Abs. 2 UrhG einstufte und auch in manchem Abmahnfall sogar einen Gegenstandwert von bis zu 50.000 EUR annahm (AG Hamburg vom 27. Juni 2011, Az. 36A C 172/10),  urteilte nun jüngst das AG Hamburg in einem anderen Abmahnfall unter Verweis auf die anstehende Gesetzesreform im Rahmen seines richterlichen Ermessens nach § 3 ZPO zur Festsetzung des Gegenstandswertes auf lediglich 1.000 EUR (AG Hamburg vom 24. Juli 2013, Az. 31a C 109/13). Nach dieser neuen Entscheidung aus dem Jahr 2013 können vom Vertreter des Abmahners nur etwa 155,30 EURfür dessen Tätigkeit verlangt werden.

Heftig diskutiert wird jedoch über § 97a Abs. 3 UrhG n.F., der erneut eine Deckelung des Gegenstandswertes verhindern soll, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalles der Gegenstandswert unbillig ist. (quelle)

Die Opposition im Bundestag ist sich bereits einig, dass durch diese unscheinbare Formulierung Tür und Tor für eine Umgehung der gesetzlich gewollten Begrenzung geöffnet werden. So stellt die studierte Juristin und Politikerin Marianne Schieder, M.d.B. (SPD), fest: „Diese Ausnahmeregelung – das wissen Sie so gut wie wir - kann in der Tat sehr leicht dazu führen, dass massenhafte Abmahnungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterhin ein lukratives Geschäftsmodell bleiben.“ Zitat auf Seite 31967 (B) BT-Plenarprotokoll 17/250: Stenografischer Bericht

Auch der Politiker und Rechtsanwalt Jerzy Montag, M.d.B., vom BÜNDNIS 90/GRÜNEN macht auf die Gefahr aufmerksam und formulierte überspitzt im Bundestag: „Die Textbausteine mit entsprechenden Formulierungen für Massenabmahnungen sind bei den Anwaltskanzleien längst fertig. Sie erreichen mit dieser Regelung überhaupt nichts.“ Zitat auf Seite 31971 (A) BT-Plenarprotokoll 17/250: Stenografischer Bericht

Ebenso wurde über die festgesetzte Höhe des Gegenstandswertes gerungen, doch konnte die von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. unterstützte Forderung zu einer Halbierung des Gegenstandswertes auf 500 EUR nicht durchgesetzt werden. Seite 4 und Seite 17ff.: Stellungnahme

Ob die Gesetzesreformen zu einem fairen Ausgleich zwischen den Beteiligten führen wird, wird die künftige Rechtsprechung zeigen. Doch zunächst muss das Gesetz noch ohne Einspruch den Bundesrat passieren (BR-Drucksache: 638/13), ehe dann das als besonders eilbedürftig eingestufte Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode, voraussichtlich im September 2013, in Kraft treten kann.

Weiter zum Artikel: Anti-Abzocke-Gesetz bzw. Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken - Meilenstein erreicht

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