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RVG-Gebühren bei Vertragsstrafe-Verlangen

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

veröffentlicht am 10. September 2021 um 15:20

Im Rahmen einer Abmahnung, etwa im Urheberrecht, Markenrecht oder anderen Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes, wird in der Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt. Eine Unterlassungserklärung ist „strafbewehrt“, wenn sich der Erklärende für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe verpflichtet. Tritt dieser Fall ein und wird für die Einforderung der Vertragsstrafe die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, stellt sich die Frage, inwieweit die hierfür anfallenden Gebühren vom Abmahngegner ersetzt verlangt werden können.

Besteht ein Anspruch auf Ersatz der RVG-Gebühren bei Vertragsstrafe-Verlangen?

Mit dieser Frage setzte sich der BGH in einem wettbewerbsrechtlichen Fall auseinander. Zunächst wurde festgestellt, dass ein etwaiger Anspruch nicht gemäß § 340 II BGB erloschen ist:

„Das Berufungsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche, auf Ersatz der Anwaltskosten für das Anspruchsschreiben gerichtete Schadensersatzanspruch durch das in diesem Schreiben enthaltene Vertragsstrafeverlangen gemäß § 340 II BGB erloschen sei. Entsprechend dem Schutzzweck des § 240 ist die Vertragsstrafe nur insoweit auf den Schadensersatzanspruch des Gläubigers anzurechnen, als Interessenidentität besteht. Nur soweit sich die betroffenen Interessen im Einzelfall decken, ist es gerechtfertigt, die Ansprüche des Gläubigers einzuschränken, damit dieser keine doppelte Entschädigung erhält. Zwischen dem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe und dem hier streitgegenständlichen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten, die durch deren Einforderung entstanden sind, besteht keine solche Identität. Die Anwaltskosten sind nicht aufgrund des am 07.10.2004 erfolgten Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung vom 16.03.2000 angefallen, sondern erst aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte ihrer dadurch begründeten Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht nachgekommen ist. Der Zweck der Vertragsstrafenvereinbarung besteht darin, die Unterlassungsverpflichtung abzusichern und den sich aus einer Zuwiderhandlung ergebenden Schaden in pauschalierter Form abzudecken. Dazu gehören nicht die weiteren Kosten, die der Schuldner dadurch veranlasst hat, dass er seine durch den Verstoß begründete Verbindlichkeit nicht erfüllt hat.“ (BGH, Urteil vom 08.05.2008 – I ZR 88/06)

Allerdings folgt ein solcher Anspruch höchstens dann aus §§ 280 ff. BGB, wenn der Abmahngegner bereits in Zahlungsverzug ist:

„Die Klägerin kann die ihr entstandenen Anwaltskosten, soweit sie nicht nach §§ 91 ff. ZPO erstattungsfähig sind, nicht gemäß § 280 BGB ersetzt verlangen. Der durch den Verstoß vom 07.10.2004 begründete Vertragsstrafeanspruch der Klägerin stellt einen Zahlungsanspruch dar. Die Verzögerung seiner Erfüllung hätte nur dann einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn die Beklagte sich dabei in Verzug befunden hätte § 280 II, 286 BGB. Dies war jedoch zu dem Zeitpunkt nicht der Fall, zu dem die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der Erstellung des Schreibens vom 29.10.2004 beauftragt und damit die in Rede stehenden Anwaltskosten veranlasst hat.“ (BGH, Urteil vom 08.05.2008 – I ZR 88/06)

Der Anspruch folgt auch nicht aus den jeweiligen Spezialgesetzen wie hier §§ 9, 12 UWG, im Markenrecht § 14 VI MarkenG oder im Urheberrecht § 97 II UrhG:

Der Klageanspruch ist auch nicht, wie die Revision geltend macht, aus §§ 3, 5, 9 S.1 UWG. begründet. Die von der Klägerin ersetzt verlangten Kosten sind nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs, sondern anlässlich der Geltendmachung eines vertraglichen Zahlungsanspruchs entstanden.
Da § 12 I UWG einen Erstattungsanspruch allein für die Kosten einer Abmahnung vorsieht, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung in Betracht. Sie scheidet indessen aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.“ (
BGH, Urteil vom 08.05.2008 – I ZR 88/06)

Da es an dem dafür erforderlichen „fremden Geschäft“ fehlt, lässt sich ein solcher Anspruch auch nicht aus den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag entnehmen:

„Ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683 S.1 670 BGB besteht im Streitfall deshalb nicht, weil die Klägerin mit dem Schreiben vom 29.10.2004, mit dem sie die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe aufgefordert hat, kein Geschäft der Beklagten geführt hat. Insbesondere hat sie nicht mit dem für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB unverzichtbaren (vgl.§ 687 I, II BGB) Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt.“ (BGH, Urteil vom 08.05.2008 – I ZR 88/06)

Anspruch auf Ersatz der RVG-Gebühren bei Vertragsstrafe-Verlangen gem. §§ 280 II, 286 BGB

Ein Anspruch auf Ersatz der RVG-Gebühren bei Vertragsstrafe-Verlangen kann sich somit nur aus §§ 280 II, 286 BGB ergeben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der Abmahngegner zum Zeitpunkt der Einschaltung des Anwalts in Zahlungsverzug befindet:

Der (…) geltend gemachte materielle Kostenerstattungsanspruch aus §§ 280 II, 286 BGB ist nicht auf die 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG aF (= Nr. 2301 VV RVG) beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ein Schadensfall in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Schuldner einer in Zahlungsverzug gerät. Zur Beitreibung einer solchen Forderung ist dann regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig. Das seinerseits Erforderliche tut der Gläubiger dadurch, dass er den Schuldner in Verzug setzt. Eine weitere Verzögerung der Erfüllung seiner Forderung muss er nicht hinnehmen. Vielmehr kann er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwalts Nachdruck verleihen. Darf der Gläubiger einer Entgeltforderung die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig halten, muss er einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung in der Regel nicht auf ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 VV RVG aF (= Nr. 2301 VV RVG) beschränken.“ (BGH, Urteil vom 17.09.2015 – IX ZR – 280/14)

Fazit zur Geltendmachung der RVG-Gebühren wegen eines Vertragsstrafe-Verlangens

Ist der Adressat des Vertragsstrafe-Verlangens in Zahlungsverzug geraten, so kann gemäß §§ 280 II, 286 BGB Erstattung der durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten verlangt werden. Somit empfiehlt es sich, dass der Rechteinhaber beziehungsweise Mandant selbst eine verzugsbegründende Mahnung an die Gegenpartei erklärt. Sobald sich die Gegenpartei in Verzug befindet, sind die Kosten für die weitere anwaltliche Hilfe bei der Auseinandersetzung mit dem Abmahngegner erstattungsfähig.

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