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Abmahnung als 28 Seiten PDF-Dokument
Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!
Als Betreiber eines öffentlichen W-Lanhotspots stellt sich, nicht erst seit der kürzlich erfolgten Gesetzesänderung, die Frage, ob und inwieweit man für Rechtsverletzungen seiner Nutzer haftet. In der Praxis geht es dabei in der Regel um dem W-Lanhotspotbetreiber unbekannte Dritte, die sein Netz nutzen, um illegales Filesharing zu betreiben. Anschließend wird der nichtsahnende Betreiber durch den Rechteinhaber unter Verweis auf sein Urheberrecht auf Schadensersatz und Unterlassung abgemahnt. Durch diese Abmahnung drohen dem Betreiber bereits erhebliche Kosten.
Ob eine Haftung auf Schadensersatz in Betracht kommt, hängt davon ab, ob der Betreiber des öffentlichen W-Lanhotspots als Täter bzw. Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung angesehen werden kann. Als solcher trifft ihn die erweiterte Haftung des § 97 II UrhG. Zwar wird eine Verantwortlichkeit desjenigen, der das Netz, in dem die Rechtsverletzung stattfand, nach der BGH-Rechtsprechung zunächst vermutet:
Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers ergibt, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. BGH (U..v. 12.05.2010 – I ZR 121/08) – „Sommer unseres Lebens“)
Allerdings erscheint schon diese tatsächliche Vermutung, die in einem Fall eines privaten WLAN-Netzes aufgestellt wurde, in WLAN-Netzen, die von mehreren Personen genutzt werden, als überholt (so z.B.: AG Charlottenburg, Beschluss vom 17.12.2014, Az. 217 C 121/14). Jedenfalls sollte es für den Betreiber eines öffentlichen W-Lanhotspots unproblematisch sein, nachzuweisen, dass auch Dritte das Netz genutzt haben. Das wird als ausreichend erachtet, um seiner „sekundären Darlegungslast“ zu entsprechen (vgl. AG Charlottenburg a.a.O.). Auch als Teilnehmer an einer Urheberrechtsverletzung käme eine Haftung auf Schadensersatz in Betracht. Eine solche würde jedoch Vorsatz des Betreibers voraussetzen, der bei redlichen Betreibern nicht vorliegt.
Anders als die Haftung auf Schadensersatz, setzt die Haftung auf Unterlassung (mit den damit verbundenen Abmahngebühren) keine Täterschaft des W-Lanhotspotbetreibers voraus:
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, Urt. v. 18. 10. 2001 – I ZR 22/99, GRUR 2002, 618)
Es wird dem Betreiber stattdessen zum Vorwurf gemacht, Prüfpflichten verletzt zu haben. Welche Anforderungen man an diese Prüfpflichten stellt ist einzelfallabhängig. Allgemein dazu der BGH:
Deren Umfang [der Prüfpflichten] bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urt. v. 15. 10. 1998 – I ZR 120/96, GRUR 1999, 418, 419 f.)
Welche Prüfpflichten von Betreibern öffentlicher W-Lanhotspots erwartet werden kann ist unserer Ansicht nach noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Instanzgerichte, die schon darüber zu urteilen hatten, haben unserer Ansicht nach unterschiedliche Voraussetzungen aufgestellt. Diese reichen von einer obligatorischen Verschlüsselung des Netzes mit Belehrung des Nutzers, rechtswidrige Nutzungen zu unterlassen (so z.B. LG Frankfurt, Urteil vom 18.08.2010, 2-6 S 19/09 in einem Fall, in dem es um ein Hotelnetzwerk ging) bis hin zu einer weites gehenden Ablehnung irgendwelche Prüfpflichten anzuerkennen:
(…) dem Betreiber eines WLAN-Netzwerkes darf nichts abverlangt werden, was sein „Geschäftsmodell“ gefährdet. Das wäre jedenfalls bei schweren Eingriffen, etwa Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. der Fall (…). Eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden (…)(AG Charlottenburg, Beschluss vom 17.12.2014, Az. 217 C 121/14 in einem Fall, in dem es um ein „Freifunk-Netzwerk“ ging)
Zu beachten ist ebenfalls, dass unserer Ansicht nach der Betreiber eines öffentlichen W-Lanhotspots als Access-Provider von der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG profitiert. Allerdings erstreckt sich diese Privilegierung wohl nach bisheriger Rechtsprechung des BGH nicht auf die Haftung auf Unterlassung (BGHZ 158, 236 – Rolex), also gerade nicht auf die Störerhaftung. Ob diese Rechtsprechung mit dem EU-Recht vereinbar ist, wird in nächster Zeit vom EuGH geklärt werden. Das LG München I hat ein entsprechendes Vorlageverfahren eingeleitet, bei dem es selbst die Rechtsauffassung vertrat, die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG müsse sich auch auf Unterlassungsansprüche beziehen:
Das vorlegende Gericht sieht sich derzeit aus folgenden rechtlichen Gründen dazu gezwungen, die Regelung in Art. 12 Abs.1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG, die mit § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG ins deutsche Recht umgesetzt wurde, dahingehend anzuwenden, dass ein Gewerbetreibender, der über einen Internetanschluss verfügt, darüber ein WLAN betreibt, dieses nicht sichert, und der somit Dritten einen unbeschränkten Zugriff auf seinen lnternetanschluss und der Allgemeinheit einen freien Zugang zum Internet bereitstellt, über den ein urheberrechtlich geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht wurde, wobei er die Urheberrechtsverletzung nicht selbst begangen hat, sondern (unbekannte) dritte Personen, dass dieser Gewerbetreibende gegenüber dem Inhaber der jeweils betroffenen Urheberrechte oder urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht auf Unterlassung, Schadensersatz, Ersatz der Abmahnkosten und der Gerichtsgebühren (sowie auf sonstige urheberrechtliche Ansprüche) haftet, weil er für die von dritten Personen übermittelten Informationen nicht verantwortlich ist, sofern nicht die Voraussetzung in Art. 12 Abs.1 Halbsatz 2 Hf. a) bis c) der Richtlinie 2000/31 EG erfüllt sind(…) (LG München, Beschluss vom 18.09.2014, AZ 7 O 14719/12, Hervorhebungen nicht im Original)
Diese Rechtsansicht wurde wohl auch vom Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen bestätigt.
Zwar existiert unserer Ansicht nach keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung bei öffentlichen W-Lanhotspots, eine solche gibt es jedoch unserer Ansicht nach bei privaten Familiennetzwerken. Hier wurde entschieden, dass Eltern verpflichtet seien minderjährige Kinder explizit über Risiken beim Filesharing aufzuklären und zu belehren:
Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (BGH, Urteil vom 11.06.15, I ZR 7/14, Tauschbörse II)
Insofern seien sie auch beweispflichtig. Demgegenüber bestehe eine solche Aufklärungspflicht nicht gegenüber volljährigen Familienmitgliedern. Der BGH geht davon aus, dass diese grundsätzlich selbst für ihre Handlungen verantwortlich seien:
Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen (BGH, Urteil vom 8.01.14, I ZR 169/12, BearShare, Randnummer: 24).
Würde man diese Grundsätze der privaten W-Lannetzwerke auf öffentliche W-Lanhotspots übertragen, käme man wohl zum Ergebnis, dass es einer Belehrung, rechtswidrige Nutzungen zu unterlassen, gegenüber selbst voll verantwortlichen Dritten nicht bedarf.
Auch die Bundesregierung hat unserer Ansicht nach die unklare Rechtslage in Bezug auf die Haftung für öffentliche W-Lanhotspots erkannt und als Reaktion das „Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ in den Bundestag eingebracht, welches am 21. Juli 2016 verabschiedet wurde. Dieses Gesetz stellt insbesondere klar, dass auch Betreiber von „lokalen drahtlosen Netzwerken“, also öffentliche W-Lanhotspots, unter die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG fallen sollen. Dazu heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf:
"Die Beschränkung der Haftung umfasst horizontal jede Form der Haftung für rechtswidriges Verhalten jeder Art. Das gilt für die straf-, verwaltungs- und zivilrechtliche Haftung sowie für die unmittelbare und mittelbare Haftung für Handlungen Dritter. Die Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters nach § 8 Absatz 1 und 2 umfasst z. B. uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung und steht daher nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Zahlung von Schadensersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten [...] begangenen Rechtsverletzung entgegen."
Diese Begründung steht unserer Ansicht nach im klaren Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGH. Der neue Wortlaut des Gesetzes lässt eine solche Klarheit unserer Anicht nach allerdings vermissen. Vielmehr wird dort die Störerhaftung bzw. die Haftung auf Unterlassung, anders als in einer früheren Fassung des Gesetzentwurfs, nicht mehr erwähnt. Ob die Gerichte, diese Veränderung als bewusste Abkehr von diesem Ziel interpretieren oder zukünftig den § 8 TMG uneingeschränkt auch auf Unterlassungsansprüche anwenden wird sich noch zeigen müssen. Des weiteren stellt das neue Gesetz keine Anforderungen an den Betrieb eines öffentlichen W-Lanhotspots. Auch das war in einer früheren Fassung des Gesetzesentwurfs noch anders (siehe: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes). Ein nachhaltiger Beitrag zu mehr Rechtssicherheit beim Betrieb öffentlicher W-Lanhotspots wurde jedenfalls unserer Ansicht nach nicht erreicht.
Abschließend lässt sich sagen, dass noch lange nicht alle Haftungsfragen beim Betrieb öffentlicher W-Lanhotspots geklärt sind. Gerade die Störerhaftung und welche Anforderungen an den Betreiber zu stellen sind, um ihr zu entgehen, bleibt auch nach der Gesetzesreform weiterhin ein Streitpunkt. Der erklärte Wille des Gesetzgebers hat sich hier nicht so eindeutig im Gesetz niedergeschlagen, wie gehofft wurde. Einen entscheidenden Beitrag zu mehr Rechtssicherheit wird voraussichtlich erst das anstehende Urteil des EuGH zu diesem Thema bringen.
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