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Tauschbörse II: Eine weitere Filesharing-Entscheidung der BGH in der wurde nach Ansicht des Verfassers über die Reichweite der Aufsichtspflicht von Eltern bei Rechtsverletzungen des Kindes in Rahmen der Teilnahme am Filesharing entschieden.
Die Verwertung des polizeilichen Geständnisses sei laut BGH zulässig gewesen. Zwar sei:
„die grundsätzlich zulässige Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises unzulässig, wenn eine Partei zum Zwecke desunmittelbaren Beweises die Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, NJOZ 2014, 572 Rn. 7 f. = MDR2013, 1184). Diese Grundsätze [seien] im Streitfall beachtet worden.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )
Das Berufungsgericht habe seine Überzeugung nicht allein auf das in Frage stehende Protokoll gerichtet.
Die Aussage der Tochter als Zeugin sei außerdem verwertbar. Das „offensichtlich[e] Schreibvergehen“ des Berufungsgerichts in Form von §183 I Nr.3 ZPO anstatt §383 I Nr.3 ZPO ändere nichts an der Belehrung der Tochter über ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
An der Verwertbarkeit des Geständnisses der Tochter ändere auch der Umstand, dass sie zwar bei der Polizei die Verletzungshandlungen gestanden habe, auf die Frage des Gerichts dazu aber nichts äußern wollte.
„Die Zeugnisverweigerung eines Zeugen im Zivilprozess schließt – anders als im Strafprozess gem. § 252 StPO – die Verwertung von Niederschriften früherer in Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts getätigter Aussagen nicht aus“. (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )
Die Beklagte hafte gem. §832 I 1 BGB für den durch die Tochter verursachten Schaden aufgrund der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Laut BGH seien Eltern dazu verpflichtet, ihre minderjährigen Kinder zu beaufsichtigen. In diesem Rahmen genüge es, „dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten“. Eine Überwachung, Überprüfung oder Versperrung der Nutzung des Kindes bestehe grundsätzlich nur, wenn das Kind dem Verbot zuwiderhandle. Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts läge somit nicht vor, da eine Belehrung der Tochter auch nach Ansicht des BGH wohl nicht erfolgt sei. Jegliche Gespräche über die Nutzung des Internets von Seiten der Eltern seien wohl ausgeblieben.
Das Auferlegen von Regeln zu „ordentlichem Verhalten“ im Allgemeinen deute nicht auf die Belehrung
„über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen und ein Verbot der Teilnahme daran“. (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )
Weiterhin stellt nach Ansicht des Verfassers der BGH klar, dass die Beklagte nicht als Störerin „nur“ auf Unterlassung hafte, sondern aufgrund der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht (§832) als Täterin hafte.
Eine Anforderung für die Anwendung einer Lizenzanalogie zur Berechnung der Höhe des Schadensersatzes sei nicht das Bestehen einer Möglichkeit zur tatsächlichen Lizenznahme zu Filesharing-Zwecken. Vielmehr setze die fiktive Lizenz keinen tatsächlichen Abschluss einer Lizenz bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten voraus.
Weiterhin seien laut Berufungsgericht die niedrigen Gebühren für Streaming-Dienste nicht mit dem Filesharing vergleichbar.
„StreamingAngebote [bilden] keinen adäquaten Maßstab zu Bemessung eines fiktiven Lizenzschadens für FilesharingAngebote. Zum einen handle es sich beim Streaming um eine andere Nutzungsart, zum anderen lägen dem Geschäftsmodell der Streaming-Dienste wie etwa Spotify oder Simfy gänzlich andere wirtschaftliche Erwägungen und Kalkulationen zu Grunde.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - ) (Hervorhebungen nicht im Original)
Laut BGH falle diese Argumentation in den Ermessensspielraum des Berufungsrichters und sei somit nicht zu beanstanden.
Schließlich stehe der Zulässigkeit einer Abmahnung nicht entgegen, dass zwar eine Liste der maßgeblichen Audiodateien angefügt worden sei, eine genaue Beschreibung welcher Kläger an welcher Audiodatei Rechte geltend macht nicht vorhanden sei.
„Eine solche konkrete Zuordnung in der Abmahnung war nicht geboten, um die Bekl. in den Stand zu setzen, den Vorwurf tatsächlich und rechtlich zu überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus zu ziehen. Für den Fall, dass bei einem oder mehreren der aufgelisteten Musikaufnahmen – etwa auf Grund eines Abgleichs mit den einschlägigen öffentlich zugänglichen Downloadplattformen wie Amazon oder iTunes – konkrete Zweifel an der Aktivlegitimation der Kl. oder am Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes entstanden wären, wäre die Bekl. nach Treu und Glauben gehalten gewesen, die Kl. auf solche Zweifel hinzuweisen und um Aufklärung im Hinblick auf die behaupteten Rechtsverletzungen und die Legitimation zur Rechtsverfolgung nachzusuchen.“ (BGH Urteil vom 11.6.2015 – I ZR 7/14 - Tauschbörse II - )
Die Adressierung der Beklagten als unmittelbare Täterin in der Abmahnung stehe deren Berechtigung ebenfalls nicht entgegen.
Der BGH macht nach Ansicht des Verfassers mit diesem Urteil einige Punkte deutlich. Neben der Klärung der Frage wann ein Verwertungsverbot nicht in Betracht käme, stellt der BGH Maßstäbe für die Aufsichtspflicht der Eltern beim Filesharing durch ihre Kinder auf. Es bedürfe einer unmittelbaren Belehrung der Kinder und keiner allgemeinen Aufklärungspflicht über Verhaltensweisen im Alltag. Eine Haftung als Störer/in käme im Falle der Missachtung der Aufsichtspflichten außerdem nicht in Betracht. Tatsächlich hafteten Eltern als Täter. Die Haftung als Täter und nicht als Störer ist nach unserer Rechtsansicht insbesondere in Bezug auf die geltenden Verjährungsfristen relevant. Ansprüche gegen einen Störer verjähren unserer Rechtsansicht nach wesentlich früher als Ansprüche im Rahmen einer Täterhaftung. Schließlich verneint der BGH die Heranziehung von Streaming-Angeboten als Vergleichswert für die Schadensbemessung beim Filesharing. Ob der Kläger dabei tatsächlich eine Lizenz an den/die Beklagte/n vergeben hätte, spiele bei der Lizenzanalogie keine Rolle.
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