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BGH zum Lizenzschaden und zur Verjährungsfrist, Urteil v. 12.05.2016 - I ZR 48/15 : Everytime we touch
Im BGH Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 48/15 hat der BGH in einer Filesharingstreitigkeit über die sekundäre Darlegungslast und über die Verjährungsfrist entschieden. Der Beklagte war Anschlussinhaber eines Rechners, welcher ebenfalls von seinen zwei minderjährigen Kindern verwendet wurde und von seiner Ehefrau.
Festgestellt wurde, dass vom Rechner des Beklagten mit Hilfe der Tauschbörse „BearShare“ insgesamt 809 Audiodateien zum Herunterladen zur Verfügung standen.
Die Klägerin verfügt über die ausschließlichen Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers und des abgeleiteten Erwerbs Rechte der ausübenden Künstler innerhalb Deutschlands.
Der BGH hat die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast hervorgehoben. Der Beklagte muss nachvollziehbar darlegen wer als Täter in Betracht kommt.
Dies muss in Bezug auf das Nutzerverhalten, der Kenntnisse, der Fähigkeiten und auch in zeitlicher Hinsicht, ob Andere die Gelegenheit hatten die Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen, geschehen. Lediglich eine Behauptung genügt hingegen nicht.:
„Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder be wusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.
In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast ( § 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.
Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber allerdings im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat.
Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss wird den an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III). Mit diesen Grundsätzen steht das Beru- fungsurteil im Einklang.“
(BGH, Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 48/15, Rn. 33, juris, Hervorhebungen nicht im Original)
„bb) Entgegen der Auffassung der Revision kommt ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss - wie bei einem Familienanschluss - regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffs- möglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungs- zeitpunkt an (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 - Tauschbörse III). Der Inhaber eines Internetan- schlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vor- trägt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.“
(BGH, Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 48/15, Rn. 34, juris, Hervorhebungen nicht im Original)
Nach dem Urteil des BGH verjährt der Schadensersatz nach 10 Jahren. Der auf § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG gestützte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz war nach dem BGH gem. § 97 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie nicht verjährt.
Der Anspruch auf Schadensersatz findet nach § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB auf die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung Anwendung.:
„aa) Gemäß § 102 Satz 2 UrhG findet § 852 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat. Danach ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung des Urheberrechts entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 Satz 1 BGB). Dieser Anspruch verjährt nach § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an und ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen den Schaden auslösenden Ereignis an (BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13, GRUR 2015, 780 Rn. 28 = WRP 2015, 972 - Motorradteile).
Diese Verjährungsfrist war nicht abgelaufen, als die frühere Klägerin zu 2 den auf einen Eingriff in ihre Verwertungsrechte an dem Titel "Everytime we touch" gestützten Schadensersatzanspruch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Juni 2014 erhoben und die Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB damit herbeigeführt hat (MünchKomm.BGB/Grothe aaO § 204 Rn. 27).“
(BGH, Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 48/15, Rn. 94, juris, Hervorhebungen nicht im Original)
„bb) Der auf die Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen einer Datei mit dem Musiktitel gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG gestützte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG ist nicht verjährt, weil er im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB auf die Herausgabe einer durch die Verletzung dieses Rechts erlangten ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 Rn. 36 bis 41 = WRP 2012, 950 - Bochumer Weihnachtsmarkt; BGH, GRUR 2015, 780 Rn. 31 - Motorradteile).“
(BGH, Urteil vom 12.05.2016 - I ZR 48/15, Rn. 95, juris, Hervorhebungen nicht im Original )
Zwar benennt das Urteil des BGH vom 12.05.2016 - I ZR 48/15: Everytime we touch, dass lediglich eine Behauptung wer der Täter sei nicht für die sekundäre Darlegungslast genüge.
Vielmehr müsse nachvollziehbar in Bezug auf das Nutzerverhalten, der Kenntnisse, der Fähigkeiten und auch die Möglichkeit einer zeitlichen Hinsicht, ob ein Dritter den Anschluss ohne Wissen und Zutun des Beklagten illegal nutzen könne, jedoch vertieft der BGH in seinem Urteil vom 06.10.2016 - I ZR 154/15 - Afterlife, dass der Beklagte nicht den Computer der Mitbenutzer untersuchen müsse und auch keinen konkreten Vortrag zu den Abwesenheitszeiten von Mitnutzern bereitstellen müsse.:
„Der Beklagte hafte nicht als Täter für die behauptete Rechtsverletzung. Der Klägerin sei der ihr nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Nachweis der Täterschaft des Beklagten nicht gelungen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers greife nur ein, wenn es sich beiem Anschlussinhaber um den einzigen Nutzer des Anschlusses handele.
Dem Beklagten obliege zwar hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der tatsächlichen Vermutung vorliegen, eine sekundäre Darlegungslast, so dass er vortragen müsse, ob er den Anschluss allein nutze oder welche Familienangehörige, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des Anschlusses in der Lage waren.
Dieser Darlegungslast sei der Beklagte nachgekommen, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der Beklagte nicht verpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen.
Ferner müsse er weder den Computer untersuchen noch konkreten Vortrag zu seinen Abwesenheitszeiten und denjenigen der Mitbenutzer halten.“
(BGH, Urteil vom 6.10.2016 - I ZR 154/15, Rn. 6, juris, Hervorhebungen nicht im Original)
Ebenfalls geht aus dem Urteil des BGH vom 27.07.2017 - I ZR 68/16 - Ego Shooter hervor, dass der Anschlussinhaber nicht dazu verpflichtet sei Dokumentationspflichten in Bezug zu Mitnutzern zu erfüllen.:
„(…)Dass der Beklagte keinen näheren Vortrag dazu gehalten hat, was seine Ehefrau zu den behaupteten Tatzeitpunkten getan hat, wirkt sich angesichts des bis zur Abmahnung verstrichenen Zeitraums von fast zwei Monaten nicht zu seinem Nachteil aus.
Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist nicht abzuverlangen, zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung die In ter- netnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen (vgl. BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 26 - Afterlife).“
(BGH, Urteil vom 27.07.2017 - I ZR 68/16, Rn. 17-18, juris, Hervorhebungen nicht im Original)
Zusammengefasst müssen Anschlussinhaber insbesondere nachvollziehbar darlegen wer im Zeitpunkt der Verletzungshandlung Zugriff hatte und anwesend war, bei Fragen zum konkreten Fall bezüglich der Erfüllung der Sekundären Darlegunslast und zu Fragen der Verjährungsfristberechnung von Ansprüchen ist die Beratung durch einen Fachanwalt für IT-Recht geeignet.
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