Unternehmensstrafrecht und Compliance

Was ist Gegenstand des Unternehmensstrafrechts und wo ist das Unternehmensstrafrecht geregelt? Was bedeutet „Compliance“?

Das Unternehmensstrafrecht (oder Verbandsstrafrecht) ist ein Teilgebiet des Wirtschaftsstrafrechts. Gegenstand des Unternehmensstrafrechts ist die strafrechtliche Sanktionierung juristischer Personen. Juristische Personen sind Personenvereinigungen, deren rechtliche Selbstständigkeit gesetzlich anerkannt ist, sodass sie selbst Träger von Rechten und Pflichten ist sowie klagen und verklagt werden kann. Juristische Personen des Privatrechts sind insbesondere der eingetragene Verein (e.V.), die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind Körperschaften, Anstalten und Stiftungen.

Ein Unternehmensstrafrecht in diesem eigentlichen Sinne gibt es in Deutschland derzeit nicht. Nach in Deutschland geltendem Strafrecht kann Täter einer Straftat nur eine natürliche Person sein („societas delinquere non potest“). Soll ein Unternehmen unmittelbar in die Verantwortung genommen werden, ist dies aber im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts, insbesondere gemäß § 30 OWiG, möglich. Strafrechtlich mittelbar betroffen sein können juristische Personen im Rahmen der Einziehung gemäß §§ 73ff. StGB.

Der Begriff „Compliance“ bezeichnet im deutschen Wirtschaftsrecht die Einhaltung von beziehungsweise Übereinstimmung mit Regelwerken, wovon in der Regel sowohl die staatlichen Gesetze als auch unternehmensinterne Regeln erfasst sind.

Gesetzesentwurf „Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten“ bzw. „Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“: Steht die Einführung eines Unternehmensstrafrechts bevor?

Am 16.06.2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) einen Gesetzesentwurf mit dem Ziel, Anreize für Investitionen in Compliance zu schaffen und Compliance-Maßnahmen zu fördern. Das „Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten“ (Artikel 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“) soll eine neue Grundlage für die Ahndung von Verbandsstraftaten liefern.

Ein Verband im Sinne des VerSanG eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, ein nicht rechtsfähiger Verein oder eine rechtsfähige Personengesellschaft. Eine Verbandstat ist eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte. Vorgesehen sind Geldsanktionen in Höhe von 1.000 € bis 10 Mio. € für eine vorsätzliche Verbandstat sowie in Höhe von 500 € bis 5 Mio. € für eine fahrlässige Verbandstat. Bei der Zumessung sind die Bedeutung der Verbandstat und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbandes zu berücksichtigen. Verbandsinterne Untersuchungen können zu einer Milderung der Verbandssanktion führen.

Ein entscheidender Unterschied zur bisherigen Rechtslage besteht darin, dass gemäß § 3 VerSanG – wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen – zwingend eine Sanktion verhängt wird, während dies gegenwärtig gemäß § 30 OWiG im Ermessen der zuständigen Verfolgungsbehörde steht („kann…“).

Haftet die Unternehmensführung strafrechtlich für Handlungen ihrer Mitarbeiter?

Da sich Unternehmen als solche aufgrund ihrer Eigenschaft als juristische Person nicht strafbar machen können, stellt sich die Frage, inwieweit die Führung eines Unternehmens für Straftaten ihrer Angestellten verantwortlich ist.

§ 14 StGB und § 9 OWiG enthalten Regelungen über die sogenannte „Organ- und Vertreterhaftung“. Demnach haften Personen auf Leitungsebene von Betrieben und Unternehmen. Die Vorschrift bewirkt eine Erweiterung des Kreises der Normadressaten bestimmter Straftatbestände auf Personen, die aufgrund der spezifischen Anforderungen des Tatbestandes andernfalls nicht erfasst würden. So wird beispielsweise § 266a StGB dahingehend modifiziert, dass eine Verletzung der Pflicht des Arbeitgebers (etwa einer GmbH) zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge auch für den gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers (etwa des GmbH-Geschäftsführers) mit Strafe bedroht ist. Ein Geschäftsführer kann also gemäß §§ 14, 266a StGB haften, wenn die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge unterbleibt, ohne dass eine Nachfrage bei einem zuständigen (Mit-)Geschäftsführer den Vorsatz entfallen ließe:

Als Geschäftsführer einer zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichteten Gesellschaft war der Kläger auch über § 14 StGB Normadressat des Schutzgesetzes, denn als gesetzlicher Vertreter der D... GmbH übte er gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG als deren gesetzlicher Vertreter die Arbeitgeberfunktion für diese aus. (…). Der Vorsatz entfällt auch nicht etwa deshalb, weil der Bekl. irrig davon ausging, er könne sich auf die Angaben des Mitgeschäftsführers, die Abgaben gegenüber den anderen Krankenkassen seien entrichtet worden, verlassen. Diese Annahme begründet entgegen der Ansicht der Berufung nicht einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum iSd § 16 I StGB. Vielmehr ist der Bekl. lediglich einem Irrtum über das Unrecht seines Verhaltens iSd § 17 S. 1 StGB erlegen. Vorsätzliches Vorenthalten gem. § 266 a I StGB setzt – wie bereits ausgeführt – nur das Bewusstsein und den Willen voraus, die geschuldeten Beiträge bei Fälligkeit nicht an die Einzugsstelle abzuführen. Nicht erforderlich ist hingegen das Bewusstsein, selbst zum Handeln verpflichtet zu sein. Es genügt, dass der Täter diejenigen Umstände kennt, die seine Handlungspflicht begründen. Glaubt er dennoch, nicht zum Eingreifen verpflichtet zu sein, so unterliegt er keinem Tatbestandsirrtum, sondern einem Verbots- bzw. Gebotsirrtum, der ihn nur bei Unvermeidbarkeit entschuldigt. Wenn der Bekl. in der Berufungsbegründung ausführt, er habe auf Grund der fehlerhaften Auskünfte des Mitgeschäftsführer die Nichtzahlung schon gar nicht für möglich gehalten und damit ohne Vorsatz gehandelt, so kann er damit nicht durchdringen. Seine Haftung leitet sich vorliegend nicht nur aus der Tatsache ab, dass er selbst die Zahlung nicht vorgenommen hat, sondern auch daraus, dass er die ihm obliegenden Überwachungspflichten nicht wahrgenommen hat. Die Umstände aber, die diese Pflichten auslösten, waren ihm sehr wohl bekannt. Glaubte er dennoch, ohne Kontrolle den ihm gemachten Mitteilungen vertrauen zu können, so leitete er damit lediglich falsche Schlussfolgerungen aus den tatsächlichen Umständen ab. Damit irrte er lediglich über das Handlungsgebot. Ein entsprechender Irrtum wäre vermeidbar gewesen. Der Bekl. hätte sich über den Umfang seiner Pflichten informieren können.“
(
OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2014 – I-21 U 38/14)

In der Rechtsprechung anerkannt ist zudem, dass eine Strafbarkeit durch Unterlassen (§ 13 StGB) in Betracht kommt, da eine sogenannte „Geschäftsherrenhaftung“ besteht. Dabei handelt es sich um eine generelle Garantenpflicht (eine solche ist Voraussetzung für eine Unterlassungsstrafbarkeit) des Betriebsinhabers und leitender Funktionäre im Betrieb zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten nachgeordneter Betriebsangehöriger:

Zwar kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter je nach den Umständen des einzelnen Falles eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter ergeben. Diese beschränkt sich indes auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten und umfasst nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht. Betriebsbezogen ist eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist. Die Beschränkung der Garantenhaftung des Betriebsinhabers auf betriebsbezogene Taten ist unabhängig davon geboten, welche tatsächlichen Umstände für die Begründung der Garantenstellung im Einzelfall maßgebend sind. Weder mit einem auf dem Arbeitsverhältnis beruhenden Weisungsrecht gegenüber Mitarbeitern noch mit der Herrschaft über die „Gefahrenquelle Betrieb” oder unter einem anderen Gesichtspunkt lässt sich eine über die allgemeine Handlungspflicht hinausgehende, besondere Verpflichtung des Betriebsinhabers begründen, auch solche Taten von voll verantwortlich handelnden Angestellten zu verhindern, die nicht Ausfluss seinem Betrieb oder dem Tätigkeitsfeld seiner Mitarbeiter spezifisch anhaftender Gefahren sind, sondern die sich außerhalb seines Betriebes genauso ereignen könnten.“
(
BGH, Urteil vom 20.10.2011 – 4 StR 71/11)

So macht sich etwa der Betreiber eines Internetcafés selbst strafbar, wenn sein Bruder dessen Infrastruktur zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln benutzt:

Der Ladeninhaber T. G., der sich nahezu täglich und vielfach gemeinsam mit G. G. im Laden aufhielt, erfuhr alsbald von der Tätigkeit seines Bruders, billigte diese und schritt nicht ein. Dabei war ihm klar, dass das Geschäft von G. G. in dieser Form nur möglich war, weil der Laden mit seinen abgeklebten Scheiben, seiner schweren Einsehbarkeit von außen, dem separaten Lagerraum hinter dem Verkaufstresen und der recht hohen Frequenz von Lauf- und Stammkundschaft sowie der geringen Anzahl von Mitarbeitern (nur G. G. und der Nichtrevident) hierfür optimale Bedingungen bot. Aufgrund seiner Position als Eigentümer und Betreiber wäre es T. G. ohne weiteres möglich gewesen, den Handel seines Bruders zu unterbinden. Diese Feststellungen belegen die Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen Garantenstellung des Angeklagten T. G. aus seiner Stellung als Betriebsinhaber nach den Grundsätzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter je nach den Umständen des Einzelfalls eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten von Mitarbeitern ergeben. Diese beschränkt sich auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten und umfasst nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht.“
(
BGH, Beschluss vom 06.02.2018 – 5 StR 629/17)

Anerkannt ist auch, dass die Führung eines Unternehmens gegebenenfalls in sogenannter „mittelbarer Täterschaft“ für das Handeln ihrer Untergebenen verantwortlich sei kann:

Die Rechtsprechung hat bestimmte Formen der mittelbaren Täterschaft unter dem Begriff des Organisationsdelikts erfasst. In diesen Fällen nutzt ein Hintermann staatliche, unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstrukturen aus, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Handelt der Hintermann in Kenntnis dieser Umstände, nutzt er auch die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen, aus und will er den Erfolg als Ergebnis seines Handelns, hat er die Tatherrschaft und ist mittelbarer Täter. Eine so verstandene mittelbare Täterschaft kommt in Fällen in Betracht, in denen der räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand zwischen der die Befehle verantwortenden Organisationsspitze und den unmittelbar Handelnden gegen arbeitsteilige Mittäterschaft spricht.“
(
BGH, Beschluss vom 02.11.2007 – 2 StR 384/07)

Sind Compliance-Richtlinien notwendig?

Die Einführung von Compliance-Richtlinien in einem Unternehmen ist aus juristischer Sicht nicht zwingend erforderlich. Es kann allerdings allein daher schon sinnvoll sein, solche Richtlinien zu erlassen, weil sich dies günstig auf die Höhe etwaiger Strafzahlungen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz auswirken kann:

Im Hinblick auf die Höhe der gemäß § 30 I OWiG neu zu bemessenden Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte wird das neue Tatgericht Gelegenheit haben, die Vorschriften des § 30 III, § 17 IV 1 OWiG in den Blick zu nehmen, nach denen die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, der aus der Ordnungswidrigkeit gezogen worden ist, übersteigen soll. Für die Bemessung der Geldbuße ist zudem von Bedeutung, inwieweit die Nebenbeteiligte ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Nebenbeteiligte in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.“
(
BGH, Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16)

Ein künftiger Erlass des VerSanG (s.o.) könnte diese Entwicklung noch deutlich verstärken. Außerdem kann eine Compliance-Richtlinie die Kündigung – beispielsweise – eines Geschäftsführers erleichtern, wenn das zur Kündigung führende Verhalten gegen eine solche Richtlinie verstößt:

Die Zahlung auf eine nicht bestehende Forderung, die der Kläger auf diese Weise veranlasste, stellt eine Pflichtverletzung dar. Der Kläger verletzte damit seine gegenüber der Beklagten bestehende Interessenwahrungs- und Vermögensbetreuungspflicht in grober Weise. Die Gutschrift diente zudem dem Zweck, eine Provisionsabrede zu honorieren, die gegen die unternehmensinternen Compliance-Vorschriften über zustimmungsbedürftige Geschäfte verstieß. Bei zweckgerechter Auslegung der Compliance-Regeln (§§ 133, 157 BGB) liegt in dem Verhalten des Klägers daher selbst ein Verstoß gegen diese. Der Verstoß gegen die Compliance-Regelung stellt schon für sich eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Daran würde auch die Genehmigungsfähigkeit des Vorgangs nichts ändern. Denn die Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften der Compliance-Regeln dienen der prozeduralen Sicherung des materiellen Schutzzwecks und sind insofern strikt zu beachten. Die Pflichtverletzung durch Verstoß gegen die Compliance-Regeln wird noch dadurch verschärft, dass der Kläger im Zusammenwirken mit den Mitarbeitern H und T vorging und sein Vorgehen zudem gemeinsam mit diesen verschleierte. Hatte der Kläger den Plan auch nicht selbst gefasst, so wirkte er daran doch durch seine Unterschrift aktiv mit. Damit handelte er durch seinen Tatbeitrag kollusiv gemeinsam mit Mitarbeitern gegen seinen Dienstberechtigten bzw. deren Arbeitgeber. Die damit eingegangene „Unrechtsverabredung“ verletzt die Geschäftsführerpflichten in grober Weise. Hinzu kommt, dass der Kläger durch sein Verhalten nicht nur seine eigene Vorbildfunktion untergrub, sondern auch die verfahrensrechtlichen und materiellen Compliance-Regeln in Frage stellte. Hält sich sogar ein Vorgesetzter erkennbar nicht an ausdrückliche und schriftliche Compliance-Regeln, so verlieren diese erst recht gegenüber den Mitarbeitern ihre „Autorität“.
(
OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2019 – 8 U 146/18)

Allerdings darf nicht davon ausgegangen werden, dass die Einführung einer ein bestimmtes Verhalten unterbindenden Compliance-Richtlinie nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass das zuvor stattgefundene Verhalten von nun an unterbleibt. Allein die Einführung einer Compliance-Richtlinie schließt nicht den Untreue-Vorsatz in Bezug auf eine „schwarze Kasse“ aus:

Das Landgericht konnte auch nicht feststellen, dass der Angeklagte anderweitig Kenntnis von der schwarzen Kasse der RG An. im anklagegegenständlichen Zeitraum erlangt hat. Zwar habe er diese von 1991 bis 1996 als Regionalleiter der RG An. selber geführt, doch hätten für das Landgericht keine Anhaltspunkte dahingehend bestanden, dass der Angeklagte im Anklagezeitraum von deren Fortbestehen wusste. Vielmehr habe es in der Zwischenzeit zwei Zäsuren in Form der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung 1998 und des Börsengangs der Siemens AG 2001 gegeben, aufgrund derer die Compliance-Struktur bei Siemens enorm ausgebaut worden sei, so dass der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts keine Indizien für den Fortbestand der schwarzen Kasse gehabt habe. (…). Angesichts der Feststellungen des Landgerichts, dass der Angeklagte die schwarze Kasse der RG An. von 1991 bis 1996 selbst führte und auch das bei der zentralen Buchhaltung von Siemens etablierte System der inoffiziellen Verrechnungskonten zur Abverfügung von Geldern in schwarze Kassen kannte und durch die Bilanzbeschwerde „Lombana" einen Hinweis auf den Fortbestand der inoffiziellen Verrechnungskonten und damit auf den Fortbestand der schwarzen Kasse erhalten hatte, hat das Landgericht nicht tragfähig begründet, warum die Kenntnis des Angeklagten von der schwarzen Kasse nachträglich entfallen sein soll. Insbesondere hatte die Einrichtung von Compliance-Strukturen bei der Siemens AG keinen direkten Bezug zu der schwarzen Kasse der Landesgesellschaften der Region. Diese Erwägung des Landgerichts bleibt hypothetisch und zeigt lediglich eine abstrakte Möglichkeit auf, die den Angeklagten zu der Annahme einer Rückführung der schwarzen Kasse veranlasst haben könnte. Es liegt nach den Feststellungen des Landgerichts bezüglich der juristischen Selbstständigkeit der Landesgesellschaften nicht ohne Weiteres nahe, dass sich entsprechende Maßnahmen bei der Siemens AG auch automatisch bei den Landesgesellschaften auswirkten. Allein mit der allgemeinen Erwägung der Einführung eines Compliance-Systems konnte vor diesem Hintergrund der Vorsatz des Angeklagten durch das Landgericht nicht tragfähig verneint werden.
(
BGH, Urteil vom 06.09.2016 – 1 StR 104/15)

Fazit

Das Unternehmensstrafrecht ist ein unübersichtliches und im Wandel begriffenes Feld. Die Bedeutung von Compliance-Maßnahmen dürfte voraussichtlich in Zukunft weiterwachsen. Eine erfolgreiche Beratung oder Vertretung erfordert neben strafrechtlichem Wissen auch vertiefte wirtschafts- und zivilrechtliche Kenntnisse. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich daher, Rat eines auf diese Gebiete spezialisierten Anwalts einzuholen.

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