Sind Urheberrechtsverletzungen strafbar?
Gemäß § 97 UrhG ziehen Urheberrechtsverletzungen in erster Linie Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche nach sich. Wer eine Urheberrechtsverletzung begeht, kann sich allerdings gemäß §§ 106ff. UrhG auch strafbar machen. Die zentrale Vorschrift ist diesbezüglich § 106 UrhG:
(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Ebenso macht sich strafbar, wer eine Urheberbezeichnung unzulässig anbringt (§ 107 UrhG), unerlaubt in Schutzrechte wie etwa den Lichtbild- oder Tonträgerschutz eingreift (§108 UrhG). Wer insoweit gewerbsmäßig handelt, kann sogar mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden (§108a UrhG). Die Tat wird jedoch gemäß § 109 UrhG grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt.
Was ist ein „Werk“ im Sinne des § 106 UrhG?
Urheberrechtlichen Schutz genießen gemäß § 1 UrhG Werke der Literatur; Wissenschaft und Kunst. Zu diesen gehören insbesondere die in § 2 I UrhG aufgezählten Fälle wie Sprachwerke, Lichtbildwerke und Filmwerke. Erforderlich ist jedoch, dass die sogenannte „Gestaltungshöhe“ erreicht wird, es sich also um eine „persönliche geistige Schöpfung“ (§ 2 II UrhG) handelt. Die Schöpfung muss über das Handwerkliche und Durchschnittliche hinaus gehen:
„Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemißt sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert bei Gebrauchszwecken dienendem Schriftgut grundsätzlich ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials.“
(BGH, Urteil vom 10.10.1991 – I ZR 147/89)
Ist dies nicht der Fall, kommt ein Leistungsschutz gemäß §§ 70 ff. UrhG als dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht in Betracht.
Potentiell strafbare Handlung: Was ist eine „Bearbeitung oder Umgestaltung“ eines Werks?
Gemäß § 23 UrhG dürfen „Bearbeitungen und andere Umgestaltungen“ nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht werden. Eine Bearbeitung gemäß § 3 UrhG dient im Gegensatz zu sonstigen Umgestaltungen der Anpassung eines Werks an einen veränderten Zweck, wozu etwa die Übersetzung oder Verfilmung eines Buchs gehört. Bearbeitungen werden, sofern sie selbst die persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters sind, wie selbstständige Werke geschützt. Eine sonstige Umgestaltung verändert das Werk im Rahmen seiner bisherigen Nutzungsform (beispielsweise Kürzung eines Romans). Nicht erfasst sind allerdings selbstständige Werke in Form „freier Bearbeitungen“ wie beispielsweise Parodien. Diese dürfen gemäß § 24 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers veröffentlicht und verwertet werden.
Mögliche Strafbarkeit wegen Urheberrechtsverletzung: Was ist die „Vervielfältigung“ und die „Verbreitung“ eines Werks?
Gemäß § 16 UrhG erfasst das Vervielfältigungsrecht das Recht, vorübergehend oder dauerhaft egal in welchem Verfahren und in welcher Zahl Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen. Eine Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar zugänglich zu machen. Zu beachten ist insbesondere, dass diese weite Definition auch die digitale Kopie erfasst, sodass auch ein (illegaler) Download, z.B. im Rahmen des Filesharings, unter das Vervielfältigungsrecht fällt (vgl. § 16 II UrhG).
So wurden die Betreiber der Videostreaming-Plattformen „kino.to“ und „kinox.to“ rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von über vier Jahren verurteilt:
Nach den Feststellungen des Landgerichts (…) wirkte der Angeklagte an dem Internetportal k. und dem Nachfolgeportal ki. mit, die jeweils in großer Zahl zielführende Querverweise zu im Internet bereitgestellten Raubkopien von überwiegend aktuellen, sämtlich urheberrechtlich geschützten Kinofilmen und Fernsehserien anboten. Die Portale boten Dritten (Uploadern), die sich Raubkopien verschafft hatten, die Möglichkeit, nach einer Registrierung Links zu den für die Verbreitung über die Portale bearbeiteten und sodann hochgeladenen Raubkopien (Upload) in das Angebot des jeweiligen Internetportals einzustellen, wo sie nach einer Überprüfung im Auftrag der Plattformbetreiber freigeschaltet und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Die Plattformen boten ihren Nutzern die illegal kopierten Filme und Fernsehserien zum Herunterladen (Download), vor allem aber auch zum Ansehen im Internet (Streaming) an, bei dem nicht der gesamte Film heruntergeladen wird, sondern beim Nutzer in beständigem Fluss kleine Datenpakete ankommen, zeitweise gespeichert und zur Wiedergabe genutzt werden. Durch den Betrieb der Portale wurden erhebliche Gewinne aus Werbeeinnahmen erzielt. (…). Nach Abschaltung dieses Internetportals schuf und betrieb der Angeklagte selbst federführend mit zwei weiteren gesondert verfolgten Mittätern das vergleichbare, in der Aufmachung sehr ähnliche Nachfolgeportal ki., das ebenfalls darauf ausgerichtet war, hohe Gewinne aus Werbeeinnahmen abzuwerfen. (…). Das Landgericht hat das arbeitsteilige Vorgehen der jeweiligen Betrei- ber der Internetportale insbesondere gemeinsam mit den Uploadern als mittäterschaftliche Verwirklichung der (gewerbsmäßigen) unerlaubten Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken in der Tatbestandsvariante des Vervielfältigens gewertet (§ 106 I Var. 1 UrhG). Dem gemeinschaftlichen Handeln lag nach Auffassung des Landgerichts ein gemeinsamer, der Umsetzung des Geschäftskonzepts der Zurverfügungstellung von Raubkopien im Internet dienender Tatentschluss zugrunde. Es hat den Betreibern des Portals daher die von den Uploadern vorgenommenen Vervielfältigungshandlungen gemäß § 25 II StGB zugerechnet und den Angeklagten wegen seiner Unterstützungshandlungen bei der Tat II.A als Gehilfen, bei der Tat II.D angesichts seiner Tätigkeit als Portalbetreiber als Mittäter der gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken verurteilt. (…). Die Annahme einer mittäterschaftlich begangenen (gewerbsmäßigen) unerlaubten Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken (in der Tatbestandsvariante des Vervielfältigens) im Fall II.D und der Beihilfe hierzu im Fall II.A hält rechtlicher Überprüfung stand.
(BGH, Beschluss vom 11.1.2017 – 5 StR 164/16)
Das Verbreitungsrecht gemäß § 17 UrhG betrifft das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. „Anbieten“ ist jede Aufforderung zum Eigentums- oder Besitzerwerb. „Inverkehrbringen“ ist jede Handlung, durch die Werkstücke aus dem Herrschaftsbereich des Täters heraus der Öffentlichkeit zugeführt werden (BGH, Urteil vom 3.3.2004, 2 StR 109/03).
Das Downloadangebot von der Rechteinhaberin kostenfrei zur Verfügung gestellten Programme auf anderen Webseiten ohne die Einwilligung der Rechteinhaberin ist nach allen Tatbestandsvarianten des § 106 UrhG strafbarstrafbar:
„Bei den Programmen (…) F handelt es sich um gemäß § 2 I Nr. 1, 69a UrhG geschützte Werke. Eine Vervielfältigung im Sinne des § 106 Abs. 1 UrhG ist jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Verbreitung meint das öffentliche Anbieten oder Inverkehrbringen eines Werkes, wobei Anbieten jede Aufforderung zum Eigentums- oder Besitzerwerb an einem Werkstück und Inverkehrbringen jede Handlung ist, durch die das Werk aus dem Herrschaftsbereich des Täters der Öffentlichkeit bzw. dem freien Handelsverkehr zugeführt wird. Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Wiedergabe umfasst gemäß § 15 II UrhG bereits die bloße öffentliche Zugänglichmachung. Eine solche liegt gemäß § 19a UrhG vor, wenn der Täter das Werk der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich macht, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Der Vertrieb der Programme (…) über den Internetauftritt von o.de erfüllt alle drei Tatbestandsvarianten. Eine unerlaubte Vervielfältigung ist bereits darin zu sehen, dass der Angeklagte M die Programme auf Anweisung des Angeklagten S auf den Server der Angeklagten kopiert hat. Darüber hinaus wurden die Programme von Anmeldern in einer unbestimmten Zahl von Fällen heruntergeladen und somit ebenfalls vervielfältigt. Durch den Betrieb der Internetseite wurden die Programme zudem öffentlich angeboten und in Verkehr gebracht und mithin verbreitet. Ferner wurden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und somit öffentlich wiedergegeben. Die Angeklagten S, S und M haben hierdurch eine gemeinschaftliche gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung gemäß §§ 106 Abs. 1, 108a Abs. 1 UrhG, § 25 Abs. 2 StGB begangen.“
(LG Hamburg, Urteil vom 21.03.2012 – 608 KLs 8/11)
Potentielle Strafbarkeit wegen Urheberrechtsverletzung im Internet: Was ist eine „öffentliche Wiedergabe?“
Das Recht der öffentlichen Wiedergabe ist das Recht, ein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (§ 15 II UrhG). Es umfasst insbesondere das Vortrags- und Aufführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger (§ 21 UrhG) und das Recht zur Wiedergabe von Funksendungen (§ 22 UrhG). Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG ist das Recht, ein Werk drahtlos oder drahtgebunden der Öffentlichkeit so zugänglich zu machen, dass es dieser zu Zeiten und von Orten ihrer Wahl zugänglich ist. Daher ist § 19a regelmäßig bei „Veröffentlichungen“ im Internet einschlägig.
Keine öffentliche Wiedergabe ist dagegen die bloße Setzung eines Hyperlinks:
„Wer einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, begeht damit keine urheberrechtliche Nutzungshandlung, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält weder das geschützte Werk selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er dieses selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk in das Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere. Einem Nutzer, der die URL als genaue Bezeichnung des Fundorts der Webseite im Internet noch nicht kennt, wird der Zugang zu dem Werk durch den Hyperlink zwar erst ermöglicht und damit das Werk im Wortsinn zugänglich gemacht; dies ist aber auch bei einem Hinweis auf ein Druckwerk oder eine Webseite in der Fußnote einer Veröffentlichung nicht anders.“
(BGH, Urteil vom 17.07.2003 – I ZR 259/00)
Keine strafbare Urheberrechtsverletzung: Was sind die „gesetzlich zugelassenen Fälle“?
Der Tatbestand des § 106 UrhG ist nicht erfüllt, wenn die fragliche Handlung gesetzlich zugelassen ist. Gemeint sind die gesetzlichen Nutzungsrechte gemäß § 44a UrhG. Dazu gehören beispielsweise das Zitatrecht (§ 51 UrhG) und das Recht auf Privatkopie (§ 53 UrhG). Das Recht auf Privatkopie erfordert allerdings eine nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage, sodass es etwa bei Downloads von Internet-Tauschbörsen regelmäßig nicht eingreift.
Wann verjähren urheberrechtliche Straftaten?
Die Verjährung ist nicht im Urheberrechtsgesetzgeregelt. Gemäß § 78 III Nr.4 StGB tritt die Strafverfolgungsverjährung nach fünf Jahren ein. Die Verjährungsfrist beginnt mit Beendigung der Tat. Das ist dann der Fall, wenn die auf Tatbegehung gerichtete Tätigkeit ihren endgültigen Abschluss gefunden hat – also bei unerlaubter Vervielfältigung und anschließender Verbreitung mit Abschluss der letzten Veräußerung, bei einer unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung mit deren Beendigung
Fazit zu Straftaten im Urheberrecht
Da es sich bei Straftaten im Urheberrecht um sogenannte „Antragsdelikte“ handelt – es also grundsätzlich eines Antrags des Rechteinhabers bedarf, wobei es diesem aber in der Regel weniger um eine strafrechtliche Verfolgung des Täters als um Ersatz seiner Schäden und Ausschluss der Wiederholungsgefahr geht, - sind strafrechtliche Sanktionen von Urheberrechtsverletzungen nicht an der Tagesordnung. Kommt es allerdings zu einer solchen, kann die Strafe aufgrund des in den §§ 106ff. UrhG vorgesehenen Strafrahmen durchaus empfindlich ausfallen. Neben guten Kenntnissen des allgemeinen Strafrechts erfordert eine erfolgreiche Beratung oder Vertretung im Bereich des Urheberstrafrechts vor allem vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet des Urheberrechts. Es empfiehlt sich daher, einen auf diese Rechtsgebiete spezialisierten Fachanwalt zu kontaktieren.