Kostenlosen Ratgeber zur Verteidigung gegen
Abmahnung als 28 Seiten PDF-Dokument
Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!
Für die unlizenzierte Nutzung eines Computerprogramms liegt uns ein Schreiben vor der Kanzlei CJCH Solicitors, einer britischen Kanzlei mit Sitz in Cardiff.
Die Dassault Système SolidWorks Corporation („DSSC“), 175 Wyman Street, Waltham, Massachusetts 02451 USA wird als Mandantschaft genannt. In diesem Schreiben geht es um eine Reihe von Softwareprodukte, welche von DSSC lizenziert werden; SOLIDWORKS und weitere Software wie SOLIDWORKS Simulations Reihe von Analyseprodukten, SOLIDWORKS Composer, SOLIDWORKS Produktdatenmanagement wird im folgendem als „die Software“ genannt.
Die Mandantin der CJCH ist die Inhaberin der Urheberrechte an dem Anwendungsprogramm, welche unter gewerblichem Schutzrecht steht. Die CJCH habe festgestellt dass die Software ohne notwendige Lizenz; d.h. die Verwendung fände ohne Genehmigung der DSSC oder einem von ihr autorisierten Vertriebspartner statt.
Hierbei werden Ansprüche der DSSC genannt, Auskünfte für die Berechnung des Schadens offenzulegen gemäß des Urheberrechtsgesetz §101 und Urheberrechtsgesetz und Schadensersatz §97. Weiter wird angeboten Details des Verdachtes mitzuteilen, um eine bessere Beurteilung seitens des angeschriebenen Unternehmens durchzuführen. Es wird eine Frist für eine Stellungnahme gesetzt und eine Kontaktmöglichkeit zwischen der CJCH und dem angeschriebenen Unternehmen angeboten um dieses Problem zu lösen.
„Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.“ (§101 Absatz I URHG)
„Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.“ (§97 Absatz II URHG)
Um Ansprüche aus dem Urheberrecht geltend zu machen, muss in erster Linie ein Werk im Sinne des § 2 UrhG vorliegen. Eine Software stellt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG eben ein solches geschütztes Computerprogramm und somit ein Werk dar.
Ebenfalls hat die Rechtsprechung die Urheberrechtsfähigkeit eines Computerprogrammes bestätig.
„Computerprogramme gehören zum Bereich der Wissenschaft i. S. des § 1 UrhRG und sind daher dem Urheberrechtsschutz grundsätzlich zugänglich. In Betracht kommt - je nachdem, ob eine (Symbol) sprachliche oder eine graphische Darstellung verwendet wird - ein Schutz als Schriftwerk (§ URHG § 2 URHG § 2 Absatz I Nr. 1 UrhRG) oder als Darstellung wissenschaftlicher oder technischer Art (§2 Absatz I Nr. 7 UrhRG).“ (BGH, Urteil vom 09.05.1985 - I ZR 52/83; NJW 1986, 192)
Zu den Anforderungen des Werkcharakters und der persönlichen geistigen Schöpfung entschied der BGH:
„Computerprogramme und ihre Vorstufen können grundsätzlich auch die für die Urheberrechtsschutzfähigkeit nach § 2 Absatz II UrhRG erforderliche persönliche geistige Schöpfung aufweisen. In den einzelnen Programmierungsphasen werden vom Systemanalytiker oder Programmierer Leistungen geistiger Art erbracht. Der geistige Gedankeninhalt findet seinen Niederschlag und Ausdruck in der Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs. […] Für den Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen und ihren Vorstufen kommt danach nur die Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des Materials in Betracht. In diesem Bereich besteht ein hinreichender Spielraum für individuelle, eigenschöpferische Lösungsmöglichkeiten, und zwar in allen drei Entwicklungsphasen. Für die Problemanalyse, den Datenflußplan und Programmablaufplan ist dies heute überwiegend anerkannt.“ (BGH, Urteil vom 09.05.1985 - I ZR 52/83; NJW 1986, 192, Hervorhebungen nicht im Original)
Sobald die Software den Werkcharakter erfüllt, richtet sich der Schutz nach dem § 69a UrhG. Dem Rechteinhaber steht es grundsätzlich frei im Rahmen einer Lizenzvereinbarung die Nutzungsrechte nach § 31 UrhG an einen Lizenznehmer einzuräumen. Es besteht die Möglichkeit ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht einzuräumen.
Das einfache Nutzungsrecht kann an mehrere Lizenznehmer eingeräumt werden, wohingegen das ausschließliche Nutzungsrecht nur an einen Lizenznehmer übertragen werden kann. Eine Anwendung welche ohne das Einverständnis des Rechteinhabers genutzt, verbreitet oder vervielfältigt wird, kann der Rechteinhaber Ansprüche nach dem UrhG geltend machen. Dabei kommen Schadenersatzansprüche nach § 97 Abs. 2 UrhG in Betracht.
Für die Höhe des Schadensersatzes bei Verletzung der Urheberrechte zu ermitteln, gibt es verschiedene Möglichkeiten diesen zu kalkulieren. Zur Bestimmung des Schadensersatzes kann der tatsächlich entstandene Schaden (§ 97 Abs. 2 S. 1 UrhG), der Verletzergewinns (§ 97 Abs. 2 S. 2 UrhG) oder die sogenannte Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) berücksichtigt werden. Die Höhe des Schadensersatzes wird aus dem zu entrichtenden Betrag für den Lizenzvertrag ermessen. Jedoch findet keine Nachlizenzierung in Form eines nachträglich abgeschlossenen Lizenzvertrages statt und etwaige Unterlassungsansprüche bleiben daneben bestehen. Zu der Angemessenheit im Rahmen der Lizenzanalogie entschied beispielsweise das Oberlandesgericht Frankfurt:
„Die Kl. hat als Grundlage für die Schadensberechnung die Methode der Lizenzanalogie gewählt. Hierbei wird zur Berechnung des Schadens der Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen Bedingungen fingiert. Im Rahmen der Lizenzanalogie gelten als angemessen Lizenzgebühren, die verständige Vertragspartner vereinbart hätten. […] Zu berücksichtigen sind dabei Dauer, Art, Ort und Umfang der Verletzungshandlung, wie auch der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechts.“ (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.12.2014 – 11 U 27/14; GRUR-RR 2015, 233, Hervorhebungen nicht im Original)
Bei dem vorliegenden Schreiben der DSSC handelt es sich um das Schreiben einer Kanzlei im Namen des Urhebers des Werkes, jedoch nicht um eine „klassische“ Abmahnung. Für eben diese fehlt es vor allem an der Aufforderung eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Unterlassungserklärung hat nach der Rechtsprechung des BGH folgenden Zweck:
„Die Wiederholungsgefahr war zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht entfallen. Die durch einen bereits begangenen Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden.“ (BGH, Urteil vom 17. 7. 2008 - I ZR 219/05; GRUR 2008, 996, Hervorhebungen nicht im Original)
Auch wurde festgestellt, dass Mandaten anderer Kanzleien ähnliche Schreiben erhalten haben. Die DSSC erweckt den Eindruck, generell an einer außergerichtlichen Einigung interessiert zu sein. Jedoch sollte das Schreiben vor einer Reaktion Ihrerseits erst gründlich überprüft werden. Vor allem sollte die Höhe des Schadensersatzes auf Grundlage der Lizenzanalogie auf ihre Angemessenheit geprüft werden. Bei Erhalt eines solchen Schreibens empfiehlt es sich einen auf das IT- und Urheberrecht spezialisierten Anwalt zu kontaktieren.
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