Vertragsstrafen bei erneuter Unterlassungserklärung

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Verstoß gegen die Unterlassungserklärung: Was passiert mit dem Unterlassungsanspruch?

Wurden die in der Unterlassungserklärung eingeräumten Pflichten verletzt, so stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf den Unterlassungsanspruch hat, der ja gerade durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung erledigt werden sollte. In diesem Fall lebt die Wiederholungsgefahr wieder auf, da sich Rechtsverletzer von der bisherigen Drohung einer Vertragsstrafe ja scheinbar nicht wirksam von der Rechtsverletzung abhalten lässt. Es entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch, der eine erneute Abmahnung mit einer neuen Vertragsstrafe rechtfertigt:

„Ein neuer, und zwar auch ein unverschuldeter Wettbewerbsverstoß trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr. Diese kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. Das gilt erst recht, wenn der Verletzer, wie im Streitfall die Bekl., hinsichtlich des Verstoßes gegen eine von ihm eingegangene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung für ein Verschulden einzustehen hat.“
(BGH, Urteil vom 07.12.1998 – I ZR 237/87)

Erneute Unterlassungserklärung: Kann die Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ bestimmt werden?

Umstritten ist, ob im Fall einer erneuten Unterlassungserklärung die Höhe der Vertragsstrafe – wie für gewöhnlich nicht unüblich - nach dem sogenannten „Hamburger Brauch“ bestimmt werden kann. Dabei wird vereinbart, dass der Rechteinhaber die Höhe der Vertragsstrafe im Falle einer Verletzungshandlung „nach billigem Ermessen“ festsetzen kann und anschließend gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung erfolgt. Für unproblematisch hält dieses Vorgehen auch im Falle einer erneuten Unterlassungserklärung das LG Bochum:

Die Verfügungsbeklagte gab daraufhin eine Unterwerfungserklärung ab, die beide Parteien als eine solche nach Hamburger Brauch ansehen. Der Verfügungskläger verweigerte die Annahme dieser Unterwerfungserklärung. Dabei störte er sich allerdings nicht an einzelnen Formulierungen, sondern er befürchtet, dass Gerichte im Wiederholungsfall die Vertragsstrafe aus seiner Sicht zu niedrig ansetzen könnten. Diese Besorgnis hält für die Kammer für so fernliegend, dass sie vollständig in den Hintergrund treten muss.“
(
LG Bochum, Urteil vom 13.07.2010 – 12 O 101/10)

Das LG Köln dagegen hält dies für unzulässig:

„Die Wiederholungsgefahr kann nicht durch eine zweite, gleichlautende Unterlassungserklärung beseitigt werden, da sie dem Verfügungskläger keine weitergehenden Rechte einräumt bzw. für den Verfügungsbeklagten keine schärferen Sanktionen vorsieht, als die Unterlassungserklärung, gegen die er bereits verstoßen hat. Wird nur eine weitere Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch abgegeben, so stellt dies keine gegenüber der ersten Unterlassungserklärung gesteigerte Sanktion dar.“
(
LG Köln, Urteil vom 11.07.2013 – 14 O 61/13)

Das OLG Köln schließlich hält die Anwendung des „Hamburger Brauchs“ für möglich, solange eine Mindesthöhe der Vertragsstrafe angegeben wird, welche die Höhe der „ersten“ Vertragsstrafe deutlich übersteigt:

„Bei einem Vertragsstrafeversprechen nach "neuem Hamburger Brauch" kann die erforderliche Verschärfung durch Versprechen einer Vertragsstrafe "nicht unter ..." nach Lage des Falles genügen.“
(
OLG Köln, Urteil vom 05.12.2014 – 6 U 57/14)

Erneute Unterlassungserklärung: Was bedeutet das für die Höhe der Vertragsstrafe?

Im Falle einer erneuten Unterlassungserklärung muss die Vertragsstrafe „deutlich höher“ (als die Strafbewehrung der ersten Unterlassungserklärung sein (s.o.). Was genau unter einer „deutlich höheren“ Summe zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht konkret beziffert.

Allgemein äußert sich das LG Hamburg restriktiv zur Festlegung von Obergrenzen:

„Hinzu kommt, dass durch die Bezugnahme auf das Amtsgericht Flensburg zum einen die örtliche Zuständigkeit festgelegt und die Höhe der Vertragsstrafe automatisch auf € 5.000,00 begrenzt wurde. Die Klägerin konnte auf den gesetzlich zulässigen örtlichen Gerichtsständen bestehen. Im Übrigen ist die Festlegung eines Höchstbetrages der Vertragsstrafe zwar grundsätzlich zulässig. Die Obergrenze muss jedoch so bemessen sein, dass der Gläubiger schwerwiegenden Verstößen mit einer entsprechend höheren Strafe begegnen kann. Als Obergrenze ist dabei im Regelfall das Doppelte einer sonst fest bestimmten Vertragsstrafe anzusetzen. Dabei sind für die Höhe der Vertragsstrafe die Umstände des Einzelfalls, insbes. das Ausmaß der Wiederholungsgefahr und die Möglichkeit künftiger noch schwererer Verstöße, zu berücksichtigen. Angemessen ist eine Vertragsstrafe, die so hoch bemessen ist, dass die Wiederholung der Verletzungshandlung sich aller Voraussicht nach für den Verletzer nicht mehr lohnt. Vor diesem Hintergrund war eine Höchstgrenze von € 5.000,00 zumindest bedenklich, so dass sich die Antragstellerin auch hierauf nicht einlassen musste.“
(
LG Hamburg, Urteil vom 02.10.2009 – 310 O 281/09; andere Ansicht: OLG Jena, Beschluss vom 20.07.2011 – 2 W 343/11 )

Rückschlüsse auf den angemessenen Betrag einer „erheblich höheren“ Vertragsstrafe lassen sich indes aus dem folgenden Fall ziehen:

„Wie das Landgericht zutreffend aufgeführt hat, fallen für die Bemessung der Vertragsstrafenhöhe die vor dem 04.04.2017 begangenen Verstöße nicht mehr ins Gewicht, da die Klägerin widerspruchslos die Zahlung von 3.000 € in diesem Zusammenhang angenommen hat und daher von einer Erledigung dieser Verstöße auszugehen ist. (…). Für diesen Verstoß [am 06.04.2017], der trotz seines Einzelcharakters wegen der vor dem 04.04.2017 erfolgten Verstöße Berücksichtigung finden muss, erscheint eine Vertragsstrafe von 5.000 € angemessen, die von der Klägerin mit dem genannten Schreiben geforderte Summe von 10.000 € hingegen unbillig. Denn wie oben ausgeführt, geht von einem einzelnen Flyer nahezu keinerlei Gefährlichkeit für das Unternehmen der Klägerin aus. Allerdings fällt hier ins Gewicht, dass der Beklagte trotz Aufforderung vom 04.04.2017 fahrlässig von einer Überprüfung seines Werbematerials abgesehen hat. Das Forderungsschreiben vom 26.04.2017 erfasst ausweislich der Liste Anlage K 9 einen Verstoß vom 20.04.2017 (Flyer verteilt in M..., Flyer Nr. 46). Auch hier gilt, dass der Einzelverstoß nicht ins Gewicht fällt, erschwerend aber das Verhalten des Beklagten nach Erhalt des Schreibens vom 19.04.2017 ist. Es ist eine erhöhte Vertragsstrafe, nämlich 7.500 € als billig festzusetzen, um eine Druckfunktion zu gewährleisten. Das Forderungsschreiben vom 10.05.2017, welches sich nicht bei den Akten befindet, jedoch unstreitig an den Beklagten versandt worden ist, erfasst ausweislich der Liste Anlage K 9 über 20 Einzelakte, eine Erhöhung der Vertragsstrafe auf 10.000 € ist angezeigt. Schließlich sind in der Folgezeit nach Erhalt des Schreibens vom 10.05.2017 bis 14.06.2017 mehrfach Verstöße erfolgt, die eine weitere Vertragsstrafe in Höhe von 12.500 € auslösten. Insgesamt ergibt sich demnach eine Vertragsstrafe von 35.000 €.“
(
OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020 – 6 U 19/19)

Die Entscheidung befasst sich nicht um die Höhe einer Vertragsstrafe einer erneuten Unterlassungserklärung. Allerdings wird besprochen, inwieweit sich die Höhe der billigen Vertragsstrafe erhöht, wenn anhand einer einmaligen strafbewehrten Unterlassungserklärung mehrfach Zahlungen aufgrund wiederholter Verstöße gefordert werden. Die Interessenlage scheint durchaus vergleichbar, denn eine billige Strafe für einen zweiten Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung dürfte etwa dem entsprechen, was als Vertragsstrafeversprechen in einer (hypothetischen) erneuten Unterlassungserklärung nach dem ersten Verstoß angemessen wäre. Vorliegend wurde als „erste“ Vertragsstrafenzahlungen 3.000 € geleistet. Für einen weiteren – allerdings nur äußerst geringen Verstoß – wurde zwar die mehr als dreifache Summe (10.000 €) als unbillig, die fast doppelte Summe (5.000 €) aber bereits als angemessen angesehen. Für einen weiteren geringfügigen Verstoß war dann bereits mehr als die doppelte Summe (7.500 €) angemessen. Demnach dürfte für den Fall eines nicht nur geringfügigen Verstoßes eine Vertragsstrafe ungefähr in Höhe der doppelten Summe der ursprünglichen Vertragsstrafe „erheblich höher“ und nicht unangemessen sein.

Fazit zur Höhe der Vertragsstrafe im Falle einer erneuten Unterlassungserklärung

Welche Höhe für eine Vertragsstrafe in einem solchen Fall angemessen ist, lässt sich der Rechtsprechung nicht gesichert explizit entnehmen. Es scheint empfehlenswert, sicherheitshalber auf die Formulierung von Obergrenzen zu verzichten. Im Übrigen sollte etwa das Doppelte der aufgrund des Verstoßes gegen die erste Unterlassungserklärung geleisteten Strafzahlung angemessen sein. Alternativ kann auch eine leicht niedrigere Summe als „Untergrenze“ genannt werden („nicht unter…“) – dies dürfte keinesfalls unbillig sein, lässt aber dennoch die Möglichkeit offen, schwerwiegende Verstöße auch mit höheren Strafzahlungen zu ahnden. Im Zweifelsfall sollte der Rat eines auf des gegenständliche Rechtsgebiet spezialisierten Fachanwalts eingeholt werden.

 

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