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Abmahnung als 28 Seiten PDF-Dokument
Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!
Ab dem 13.06.2014 (also wohl 00:00 Uhr MESZ) werden voraussichtlich wieder viele Abmahnungen für Onlinehändler erstellt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt werden fast alle bisherigen Gestaltungen von Webshops insbesondere der AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen), jedenfalls im B2C-Handel, voraussichtlich rechtswidrig und abmahnfähig sein. Dies folgt aus der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) aus dem EU-Recht in das Recht Deutschlands. Durch die Verbraucherrechterichtlinie soll der Verbraucherschutz europaweit noch stärker vereinheitlicht werden. Die Änderung bringt aber auch einige neue Möglichkeiten und Erleichterungen für den Onlinehandel und Betreiber von Internet-Shops.
Ab Mitternacht zwischen dem 12. Juni 2014 und dem 13. Juni 2014 treten viele Gesetzesänderungen in Kraft. Dies betrifft vor allem das Verbraucherrecht. Insbesondere gibt es viele Änderungen in Bezug auf das Fernabsatzrecht und das früheren Haustürwiderrufsrecht. Besonders viele Paragraphen werden im BGB (Bürgerlichem Gesetzbuch) ganz neu gefasst (zitiert als neue Fassung = n.F.). Auch viele andere Gesetze werden geändert, so zum Beispiel für die Vermittlung von Wohnungen (wie durch Wohnungsmakler).
Es folgen einige Beispiele für wichtige Änderungen.
Es gibt nun neue Regeln zum Verbraucherschutz, die unabhängig davon gelten, welche Vertriebsform gewählt wurde. Hiermit befasst sich im neuen BGB der Abschnitt „Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen“ ab § 312 BGB neuer Fassung (n. F.). Was ein Verbrauchervertrag ist [Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher], wird definiert im § 310 Abs. 3 BGB. Was ein Verbraucher ist, steht in § 13 BGB (wird neu gefasst). Was ein Unternehmer ist, steht noch immer in § 14 BGB.
Hier dürfte insbesondere der neue § 312a BGB wichtig werden („Allgemeine Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen; Grenzen der Vereinbarung von Entgelten“).
Wie früher nur im Fernabsatz gibt es bei Verbraucherverträgen immer (nun auch in 'normalen' Ladengeschäften usw.) grundlegende Informationspflichten. Dies folgt aus dem § 312a BGB n. F. – insbesondere in Verbindung mit Artikel 246 EGBGB n. F. (dem ebenfalls geänderten Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Insofern könnten auch auf den stationären Handel nun Abmahngefahren zukommen, wie sie bislang in dieser Form meist nur im Versandhandel lauerten.
Die Informationspflichten für den Fernabsatz und den mobilen Handel sind aber noch immer umfangreicher (siehe Artikel 246a EGBGB n. F.).
Die Paragraphen im BGB über die füher Sogenannten besonderen Vertriebsformen (Fernabsatz, Haustürwiderruf usw.) wurden insbesondere unter der Überschrift „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge“ (ab § 312b BGB n. F.) völlig neu überarbeitet, neu nummeriert und neu strukturiert. Vieles wird wohl im Grunde logischer, weil es nicht mehr für jedes Gebiet so viele Sonderregeln gibt. Dafür kann man allerdings im Grunde vergessen, was man bisher über das Recht für E-Commerce und sonstigen Fernabsatz, über mobilen Handel und mobilen Vertrieb wusste.
Das Rücktrittsrecht wurde im Verbraucherschutzrecht als Alternative zu Widerrufsrecht abgeschafft. Es gibt nun nur noch ein einheitliches Widerrufsrecht des Verbrauchers (und den normalen Rücktritt z. B. im Gewährleistungsrecht). Der Unternehmer kann nun nicht mehr statt einem Widerufsrecht ein Rücktrittsrecht einräumen. Viele bisherige Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) hatten noch diese Möglichkeit gewählt (insbesondere für Kunden von Online-Shops). Diese AGB müssen nun überarbeitet werden.
Im Gesetz ist nun völlig neu geregelt, was folgt, wenn der Verbraucher sein Widerufsrecht ausübt.
Dies gilt insbesondere für Kosten der Rücksendung. Hier hat der Händler mehr Möglichkeiten, damit der Verbraucher diese Kosten tragen muss. Dafür muss der Händler nun aber ausführlich und nach strengen Regeln über die Kosten der Rücksendung informieren.
Die normale Widerrufsfrist ist nun einheitlich (europaweit) geregelt. Sie beträgt 14 Tage. Im neuen Recht Deutschlands steht das in § 355 Absatz 2 Satz 1 BGB n. F.
Der Beginn der Widerufsfrist ist noch immer von vielen Einzelfragen abhängig. Hierzu muss man beispielsweise für E-Commerce in § 356 Absatz 3 BGB n. F. („Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen“) schauen.
Bei falschen oder fehlenden Belehrungen kann nicht mehr in jedem Fall für alle Ewigkeit widerrufen. Beispielsweise ist in Zukunft beim Kauf von normalen Waren im Online-Shop nach 12 Monaten und 14 Tagen Schluss. Dies seht in § 356 Absatz 3 BGB n. F. zum „Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen“ (außer für Finanzdienstleistungen).
Nach dem neuen Recht kann der Verbraucher nun auch telefonisch oder online widerrufen. Vermutlich kann er auch vorbeikommen und den Widerruf mündlich erklären. Es ist nach § 355 BGB n. F. nur noch eine eindeutige „Erklärung“ nötig. Bislang war die sogenannte Textform für einen Widerruf vorgeschrieben, wenn der Widerruf nicht sinngemäß durch Rücksenden erfolgte. Die Regeln für die Bestätigung des Widerrufs sind dagegen strenger.
Da sich das Recht und die Rechte (der Verbraucher) vollkommen geändert haben, müssen die Unternehmer auch anders über die Rechte belehren. Eine neue Widerufsbelehrung wird nötig!
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang bei Downloads („einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten“) nach besonderer Belehrung gemäß § 356 Absatz 5 BGB n. F., damit das Widerrufsrecht auch vorzeitig (mit Beginn der „Ausführung des Vertrags“) und nicht erst nach der normalen Frist erlischt.
Das Gesetz bestimmt im neugefassten § 13 BGB anders, wann jemand Verbraucher ist. Die wesentliche Änderung liegt darin, dass nur noch überwiegend ein privater Zweck vorliegen muss (bzw. kein nicht-privater). Das Geschäft kann nun mehreren Zwecken (Mehrzahl statt bisher Einzahl) dienen.
„Verbraucher
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“ (§ 13 BGB, Fassung: Gesetz vom 20.09.2013, BGBl. I S. 3642 [3643], Hervorhebung nicht im Original)
Die Unternehmer müssen wie gesagt nach neuem Recht und über neue Rechte belehren (neue Widerrufsbelehrungen). Daher gibt es auch neue amtliche Muster für diese Belehrungen. In viele Gesetze kommen somit neue Musterwiderrufsbelehrungen.
Für Online-Händler dürften auch die Änderungen beim Abschnitt zum sogenannten Verbrauchsgüterkauf (also eigentlich dem Kaufrecht für C2B in bezug auf normale Waren) wichtig sein. Dabei ist für den Versandhandel besonders die neue Regelung zum Gefahrübergang beim Verbrauchsgüterkauf in § 474 Absatz 4 BGB n. F. zu beachten. Bisherige AGB zum Gefahrübergang beim Versendungskauf müssten ggf. angepasst werden.
Diese vielen Änderungen bringen das deutsche „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ vom 20. September 2013. Veröffentlicht wurde dieses Änderungsgesetz im Bundesgesetzblatt (Teil I 2013 Nr. 58 vom 27. September 2013 S. 3642-3670).
Das Änderungsgesetz und damit die Änderungen treten offenbar ohne jede Übergangsfrist in Kraft (also Abmahngefahr [mindestens] ab Mitternacht):
„Artikel 15
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 13. Juni 2014 in Kraft.“ (Gesetz vom 20.09.2013, BGBl. I S. 3642 [3662])
Dabei ist es aber eigentlich nicht damit getan, das alte deutsche Recht mit dem neuen deutschen Recht zu vergleichen. Man müsste auch fast immer auf die europäische Richtlinie und deren Begründung schauen, wenn man wirklich wissen will, was die neuen Gesetze bedeuten sollen (europarechtskonforme Auslegung bzw. genauer richtlinienkonforme Auslegung). Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der effektiven Anwendung des Europarechts ("effet utile") und dem Grund des Änderungsgesetzes.
Wie man an dem Namen des Änderungsgesetzes erkennen kann, soll es vor allem die Verbraucherrechterichtlinie (Verbraucher-Rechte-Richt-Line, VRRL) umsetzen. Diese Richtlinie gehört zum EU-Recht. Durch die Verbraucherrechterichtlinie wurden mehrere vorige europäische Richtlinie abgelöst, wie man an der Langfassung des Namens erkennen kann. Zusammenfasst und überarbeitet hat die VVRL die alte Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz) und die alte Haustürgeschäfterichtlinie (Richtlinie 85/577/EWG über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge). Außerdem sollen EU-weit auch andere neue Regeln gelten. Zum Beispiel fordert das EU-Recht erstmals neue, grundlegende Informationspflichten auch beim Verkauf im normalen Ladengeschäft (stationärer Handel) sowie weitere Regeln für alle Verbraucherverträge (egal welche Form des Vertriebs). Neue europaweite Regeln gibt es auch im Verbrauchsgüterkaufrecht für den Gefahrübergang (etwa: Wer hat Pech, wenn die Kaufsache wann kaputtgeht oder verlorengeht?) und die Lieferung.
Durch das Umsetzen im deutschen Änderungsgesetz soll nationales, deutsches Recht geschaffen werden, das dem EU-Recht entspricht. Denn als Richtlinie gilt die Norm noch nicht unmittelbar, sondern wendet sich an die jeweiligen nationalen Gesetzgeber der EU-Staaten. Im Gegensatz zu den vorigen Richtlinien fordert die Verbraucherrechterichtlinie aber meist die sogenannte Vollharmonisierung (Meist heißt hier: bis auf einzelne Öffnungsklauseln.). Vollharmonisierung bedeutet, dass die Staaten bei der Umsetzung normalerweise nicht von der Richtlinie abweichen dürfen. Weder dürfen sie den Verbrauchern mehr Rechte einräumen, noch weniger Rechte geben, als die Richtlinie es vorschreibt. Daher ist das Europarecht besonders wichtig, wenn man bestimmen will, was das geänderte deutsche Recht überhaupt bedeuten soll. Zu bestimmen, was ein Gesetz bedeuten soll, nennt der Jurist Auslegung. Dass man die EU-Richtlinie für die Bedeutung des nationalen Gesetzes zu Grunde legen muss, nennt man daher europarechtskonforme Auslegung oder spezieller richtlinenkonforme Auslegung.
Online-Händler sollten unbedingt rechtzeitig die Gestaltung ihres Internet-Shops überprüfen lassen. Insbesondere AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen), Widerrufsbelehrungen oder gar Rücktritts-Belehrungen sollten unbedingt der neuen rechtlichen Lage nach der Gesetzesänderung und der Verbraucherrechterichtlinie angepasst werden. Nur dann kann man auch rechtzeitig am 13. Juni 2014 den Online-Shop umstellen und so Abmahngefahren entgehen.
Wer nach dem 13. Juni 2014 eine solche Abmahnung erhalten hat, sollte spätestens dann einen Fachmann fragen, bevor er zahlt oder sogar eine gefährliche Unterlassungserklärung abgibt.
Wer schon nach dem alten Recht eine Unterlassungserklärung (insbesondere zum Fernabsatzrecht) abgegeben hat, sollte sie in unbedingt überprüfen lassen. Denn es kann sein, dass nun erlaubt oder sogar vorgeschrieben ist, was gegen das frühere Recht verstieß. Die alte Unterlassungserklärung würde dadurch aber nicht automatisch völlig unwirksam. Ein Rechtsanwalt sollte überprüfen, ob und wie man eine alte Unterlassungserklärung kündigen kann.
Für diese Fragen sollte man sich jemanden suchen, der sich insbesondere mit Fernabsatzrecht und e-Commerce auskennt. Dies könnte beispielsweise ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im IT-Recht sein. Denn zu dem Fachgebiet IT-Recht (Informationstechnologierecht) gehört auch das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs, was vor allem durch das Verbraucherrecht und Fernabsatzrecht des BGB und der EU geprägt wird.
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