Wettbewerbsrecht: Wahlwerbung durch eMail unzumutbare Belästigung?

Achtung: Der Beitrag kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen!

Wahlwerbung durch eMail als unzumutbare Belästigung zu verstehen?

In der deutschen Rechtsprechung hat sich bei unerwünschten eMails die Unzumutbare Belästigung als Rechtsmittel durchgesetzt. Aus §7 I UWG, oder §823 I BGB i.V.m. der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts können, laut Rechtsprechung, Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn man unerwünschte eMails erhält und diese einen im Privaten, oder im Geschäftsverkehr behindern. Zunehmend kam nun aber die Frage auf, wie mit Wahlwerbung umzugehen sei. Diese Frage soll hier anhand verschiedener Entscheidungen besprochen werden.

Allgemeines zu eMails als unzumutbare Belästigung

Bei der rechtlichen Bewertung von eMails als unzumutbare Belästigung im Sinne des §7 I UWG, oder des §823 I BGB müssen verschiedene Aspekte beachtet werden. Ein für die Frage der Wahlwerbung nicht unwichtiges Tatbestandsmerkmal wurde in einer Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2004 festgehalten.

Hier hält der BGH fest, dass eine ausdrückliche, oder konkludente Einwilligung des Empfangenden der Mail vorzuliegen habe.

Gleichwohl entsteht durch die Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken eine Belästigung für den Empfänger, die dieser nicht hinzunehmen braucht, wenn er nicht ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt oder wenn - bei der Werbung ggü. Gewerbetreibenden - nicht auf Grund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann. BGH, Urteil vom 11.3.2004 - I ZR 81/01

Der BGH macht somit klar, dass der Empfänger einer eMail nicht zwangsläufig ausdrücklich auf den Empfang einwilligen müsse. Vielmehr könne in manchen Fällen ein besonderes Interesse des Empfangenden vorliegen, welches es ermögliche, dass auch gegen den ausdrücklich erklärten Willen eMails versandt werden dürfen. Spezielle Fälle in denen dies der Fall sein könnte hat der BGH vorliegend nicht aufgeführt.

AG Rostock: Wahlwerbung einer Partei sehr wohl Werbung im klassischen Sinne

In dem vorliegenden Fall erhielt der Kläger ungefragt einen Newsletter der CSU. Fraglich war, ob Wahlwerbung einer politischen Partei Werbung darstellen kann. Hierzu formulierte das AG Rostock in einem Urteil von 2003:

„(...)Der Einwand der Ag., dass eine Untersagung der Übersendung ihrer „Newsletter” nicht erfolgen dürfe, weil es sich insofern nicht um Werbung handele, ist allein schon deshalb unzutreffend, weil es sehr wohl Werbung ist. Wenn eine Partei - wie im vorliegenden Fall - über ihre Aktivitäten und Ziele informiert, wirbt sie für ihre Politik. (...)“ (AG Rostock, Urteil vom 28.1.2003 - 43 C 68/02)

Die Partei berief sich darauf, dass hinter dem versendeten Newsletter kein kommerzieller Antrieb stecke, sondern der Wille über politische Themen aufzuklären. Hierin sei keine Belästigung zu sehen, da dies nicht unter dem Begriff der Werbung zu subsumieren sei.

Dieser Darstellung widerspricht das AG hier entschieden. Nur weil keine kommerzielle Ausrichtung vorläge, hieße dies nicht, das keine Werbung vorliege.
Reine Informationsschreiben über die Ziele einer Partei seien ebenso Werbung, wie Informationsschreiben mit Produktinformationen. Dadurch würde versucht Wähler zu gewinnen, was Werbung im klassischem Sinne darstelle.

AG Bochum: Wahlwerbung bei Wahl eines Versorgungswerks

Das Amtsgericht Bochum hingegen stand vor der Frage, ob auch dann eine unzumutbare Belästigung vorliege, wenn ein Rechtsanwalt eine Wahlwerbungs-eMail von einem Kollegen in Bezug auf eine Wahl der Vertreterversammlung des Versorgungswerk der Rechtsanwälte vorliege, in der er selber Mitglied ist.

Hier, so die Rechtsansicht des AG Bochum, sei die Rechtssituation anders gelegt.

Fraglich war vor allem, ob eine mutmaßliche Einwilligung vorlag. Das AG Bochum ging hier einen aus unserer Sicht interessanten Weg.

„(...)Ein Rechtsanwalt, der für die Wahl zur Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte kandidiert, darf das Einverständnis eines Rechtsanwalts mit dem Erhalt einer hierauf bezogenen E-Mail vermuten. (...)AG Bochum, Urteil vom 25.2.2004 - 44 C 640/03

Demnach bejaht das AG die Einwilligung in den Erhalt der eMail. Auch wenn der klagende Rechtsanwalt nicht eindeutig um die Zusendung der fraglichen Wahlwerbungsmail gebeten habe, läge eine mutmaßliche Einwilligung vor.

Mutmaßliches Interesse kann Einwilligung implizieren

„ (...) Dieses Einverständnis durfte der Bekl. jedoch vermuten, weil der Kl. als Rechtsanwalt Mitglied des Versorgungswerks ist. (...)“AG Bochum, Urteil vom 25.2.2004 - 44 C 640/03

Das Gericht stellt also die Vermutung darauf ab, dass der Kläger Mitglied der Vereinigung ist, mit der die Wahl für die geworben in direktem Zusammenhang steht. Hier würde nach dem Amtsgericht Bochum ein spezieller Fall der konkludenten Einwilligung im Sinne der oben aufgeführten BGH-Entscheidung vorliegen. Doch hier grenzt das Gericht noch weiter ein, warum die Einwilligung gerade in diesem Fall vermutet würde. Es führt aus:

„(...) Als solches zahlt der Kl. Beiträge an das Versorgungswerk, die dort angelegt werden und ihm im Rentenalter als Altersvorsorge zur Verfügung stehen. Die Vertreterversammlung, deren Mitglieder durch die Wahl festgestellt werden, nehmen u.a. Einfluss auf die Höhe des zu zahlenden Beitragssatzes, setzen sich für die bestmögliche Versorgung der Mitglieder ein und vertreten somit auch die Interessen des Kl. (...)“AG Bochum, Urteil vom 25.2.2004 - 44 C 640/03

Das Gericht kam somit nur auf die Zulässigkeit der Wahlwerbung, weil der Kläger ein nicht unerhebliches Interesse an der Teilnahme an der Wahl hatte. Durch diese Wahl hätte er die Möglichkeit Einfluss auf die Ausrichtung der Vereinigung und der vereinigungspolitischen Entscheidungen zu nehmen gehabt, die gerade für seine Zukunft eine enorme Rolle spielen könnten. Dadurch würde ein nicht unerhebliches Interesse an dem Erhalt der eMail geschaffen.

Abgrenzung zum Fall des AG Rostock

Von dem Fall des AG Rostock sei aus Verfassersicht die Entscheidung des AG Bochum abzugrenzen. Der Unterscheid zwischen der Wahlwerbung einer politischen Partei und der eines Bewerbers für eine Vertreterposition im Versorgungswerk sei, so das Gericht, aus dem folgenden Gründen nicht miteinander zu vergleichen.

„ (...) Da es sich bei den Mitgliedern des Versorgungswerks um einen klar abgegrenzten, zahlenmäßig überschaubaren und durch gemeinsame Interessen eng verbundenen Personenkreis handelt, ist der Fall auch nicht mit der Zusendung von Werbe-E-Mails politischer Parteien oder gar kommerzieller Anbieter von Sach- und Dienstleistungen zu vergleichen. (...)“ AG Bochum, Urteil vom 25.2.2004 - 44 C 640/03

In dem hier angestellten Vergleich, wird die Bezeichnung der Interessenvertretung vom Gericht besonders hervorgehoben. Die mutmaßliche Einwilligung entstehe demnach nur durch die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung. Ohne die beiden Merkmale der Mitgliedschaft (1) in einer Interessengemeinschaft (2) würde dieser Ansicht nach eine solche Einwilligung nicht vorliegen.

Stellungnahme des Verfassers

Aus der Rechtssicht des Verfassers sind die aufgeführten Entscheidungen verschiedentlich zu beurteilen. Insbesondere bei den beiden Entscheidungen der Amtsgerichte müsse unserer Ansicht nach darauf hingewiesen werden, dass es sich lediglich um Entscheidungen der niedrigsten Instanz handelt.

Während die Entscheidung des AG Rostock in Bezug auf das Verbot von Wahlwerbung als ungebetene Werbung überzeugt, da die Wesensgleichheit von kommerzieller Werbung zur Wahlwerbung politischer Werbung überzeugend dargestellt wurde, ist die Rechtsansicht des AG Bochum unserer Sicht nach nur in Teilen überzeugend.

Es läge unserer Rechtsauffassung eine konkludente Einwilligung dadurch vor, dass für die Wahl einer Interessengemeinschaft geworben würde, an der der Empfänger aus verschiedenen ein immenses Interesse hätte. Dieses Argument könnte ebenso für Wahlwerbung im Bundestagswahlkampf gelten, da auch hier wichtige Entscheidungen für die Zukunft des Empfangenden entschieden würden.
Von dieser Ansicht setzt sich das AG Bochum insofern ab, als dass es präzisiert, das lediglich ein abgeschlossener Personenkreis von der Wahl betroffen sei. In Gänze überzeugt uns das nicht. Inwiefern diese Ansicht auch vor höheren Gerichten Bestand haben könnte, wird sich wahrscheinlich in der Zukunft zeigen.

Würde diese Entscheidung bestätigt, wäre aus unserer Sicht auch Wahlwerbung für verschiedene Kammern unterschiedlicher Berufsstände und anderen Interessensvertretungen nicht mehr von der unzumutbaren Belästigung erfasst.

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