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Der BGH legt nach Ansicht des Verfassers in seiner Entscheidung die Grundsätze der Beweisführung in einem Filesharing-Prozess dar.
Dass „das Anbieten von Tonaufnahmen mittels eines Filesharing-Programms in sogenannten »PeertoPeer«Netzwerken im Internet das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des Herstellers des Tonträgers […] verletzt“, stelle laut BGH die Revision zunächst nicht in Frage. Der Bundesgerichtshof stellte fest, „[d]ie dem Schadensersatzantrag zugrunde liegenden 15 Musikaufnahmenseien über den Internetanschluss des Beklagten im Sinne von § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht worden.“ Die Zuordnung der IP Adresse zum Beklagten erfolgte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft mit Hilfe einer Auskunft der Deutschen Telekom AG.
Der Beklagte habe für die über seinen Anschluss erfolgen Verletzungen als Täter einzustehen, es
„fehle an konkreten Anhaltspunkten für die Annahme, dass die IPAdresse dem Beklagten fehlerhaft zugeordnet worden sei. Nach dem Ergebnis der vom Berufungsgericht durchgeführtenBeweisaufnahme durch die Vernehmung der Ehefrau und des Sohnes des Beklagten bestünden keine Zweifel, dass die in Rede stehenden Musikaufnahmen über den Anschluss des zur Tatzeit unstreitig eingeschalteten und mit dem Internet verbundenen stationären Computers des Beklagten zum Download angeboten worden seien. […] Andere Personenschieden als Verantwortliche für die Verletzungshandlung aus“. (BGH Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 - Tauschbörse I - ) (Hervorhebungen nicht im Original)
Insbesondere die Ehefrau (fehlende Administratorenrechte für eine Software-Installation) und Sohn (fehlendes Zugangspasswort) des Beklagten, sowie unbekannte Dritte (WLAN-Stick nicht betriebsbereit) kämen nicht in Betracht. Die körperliche Abwesenheit des Beklagten zur Tatzeit sei ebenfalls nicht Voraussetzung für die Annahme einer Tatherrschaft über eine mit Hilfe seines Computers begangene Rechtsverletzung. Schließlich könne die Software auch ohne aktive Bedienung Dritten Zugriff auf die Dateien gewähren.
Das Bestreiten der Rechtsinhaberschaft der Klägerinnen iSv §138 Abs.4 ZPO habe das Berufungsgericht laut BGH gewürdigt und die Aktivlegitimation der Klägerinnen nachvollziehbar geprüft und bejaht. Greift die Vermutungsregelung des §10 UrhG nicht, sei ein Indizienbeweis zulässig.
„Der Tonträgerhersteller kann sich deshalb zur Darlegung und zum Beweis seiner Aktivlegitimation in besonderem Maße auf Indizien, namentlich die Eintragung in den Ph. Medienkatalog, beziehen. Ein weitergehender Vortrag ist erst erforderlich, wenn vom als Verletzer in Anspruch Genommenen konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden, die gegen die Richtigkeit der Eintragungen in der fraglichen Datenbank zu den jeweiligen Musikstücken sprechen.“ (BGH Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 - Tauschbörse I - ) (Hervorhebungen nicht im Original)
Solche konkreten Anhaltspunkte wurden vom Beklagten auch nicht dargelegt.
Weiterhin rüge die Revision, die Frage nach der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Dateien sei gänzlich ungeklärt geblieben. Eine solche wäre zu verneinen gewesen, da auf dem PC des Beklagten lediglich Dateifragmente und keine vollständigen Dateien vorhanden gewesen seien.
Es komme nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht auf die Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes an, sondern ob ein Leistungsschutzrecht des Herstellers iSv §85 UrhG verletzt wurde. Schutzgegenstand sei nicht der Tonträger oder die Tonfolge, sondern die „erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers“.
Diese Leistung fände sich auch in jedem einzelnen Teil eines Tonträgers wieder, somit sei das Vorliegen eines vollständigen Titels keine Voraussetzung für dessen Schutzfähigkeit.
Die in Frage stehenden IP-Adressen wären bei den Klägerinnen in Tabellen gespeichert und zur Staatsanwaltschaft gesandt worden, welche beim Internetdienstanbieter die Zuordnung der IP-Adresse zur Tatzeit zu einem Namen und einer Adresse angefordert habe, die sich als die des Beklagten herausstellte. An diesem Vorgehen im Rahmen des Auskunftsverfahrens sei nichts zu beanstanden. Daran ändere auch ein Schreibfehler im Nachnamen des Beklagten in der vom Dienstanbieter übermittelten Excel-Tabelle nichts.
„Es kommt nicht auf die theoretisch und praktisch absolute Fehlerfreiheit des Auskunftssystems oder eine vollständig fehlerfreie Schreibweise des Namens des Beklagten an, sondern auf die Frage, ob im Streitfall konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Zuordnung der ermittelten IP-Adresse zum Internetanschluss des Beklagten vorliegen oder ob der Tatrichter aufgrund der vorliegenden Angaben einen ausreichenden Grad von Gewissheit erlangen konnte, bei dem er vom Vorliegen der fraglichen Tatsachen überzeugt sein konnte.“ (BGH Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 - Tauschbörse I - )
Der Umfang der an die Klägerinnen zu zahlenden Beträge bemesse sich aus Schadensersatz (1) und Erstattungsanspruch (2):
Schadensersatz (1) Der Schadensersatzanspruch ergebe sich für die Klägerinnen als Inhaber der Verwertungsrechte im Sinne von §85 Abs.1 UrhG, gemäß §97 UrhG. „Die Klägerinnen könnten für jeden der insgesamt 15 von ihnen in die Berechnung einbezogenen Musiktitel im Wege der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200,00 EUR verlangen.“
Erstattungsanspruch (2) Weiterhin bestünden im Rahmen der GoA (§§677,683 S.1,670) Ansprüche auf Erstattung der Abmahnkosten, allerdings 100.000 € anstatt der geforderten 400.000 €. Grund sei die deutlich niedrigere Zahl der „schlüssig dargelegten Rechtsverletzungen“ im Vergleich zu den in der Abmahnung aufgeführten Rechtsverletzungen. Unter dem Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr ergebe sich ein Anspruch iHv 878,65 €. (BGH Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 - Tauschbörse I - ) (Hervorhebungen nicht im Original)
Mit diesem Urteil stellt der BGH nach Ansicht des Verfassers die Grundsätze zur Beweisführung in Filesharing-Prozessen dar. Zur Entlastung eines mutmaßlichen Täters kann es mitunter hohen Anforderungen bedürfen. Ist die IP-Adresse einer Person zugeordnet worden, genügt nicht etwa die Abwesenheit des unmittelbaren Täters, noch fehlende Zugriffsmöglichkeiten der Angehörigen zur Entlastung. Außerdem beinhaltet das öffentliche Zugänglichmachen nicht zwangsläufig das Hochladen von Dateien, falls Dritte auch ohne einen vorherigen Upload auf die Dateien zugreifen können. Weiterhin genügt zum Beweis einer Aktivlegitimation die Eintragung in einem Medienkatalog als Indiz. Dieses Indiz muss durch den Beklagten durch konkrete Anhaltspunkte widerlegt werden.
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